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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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ihren Stöcken!“
    „ O Gott sei Dank. Dann kann ich beruhigt …“ Tess wurde nachdenklich.
    „ Was kannst du?“
    „ Ich glaube, ich kann nicht mehr lange hierbleiben.“
    „ Nicht hier in Tübingen? Warum nicht?“
    „ Weißt du, seine Versuche werden bald so – ungeheuerlich, dass er sich ganz andere Möglichkeiten suchen muss. Das lässt sich in einem Laboratorium gar nicht mehr ausführen.“
    „ Und du gehst mit ihm? Tess!“
    Sie ließ sich nieder und sah eine Weile vor sich ins Leere, dann fuhr sie auf wie aus einem Traum. „Bis ans Ende der Welt, wenn’s sein muss! – Wenn er mich brauchen kann!“, setzte sie etwas zaghaft hinzu. „Und du, Franz?“
    „ Ich bleibe bei dir!“
    Tess sah ihn an und stand auf. „Komm, lass uns nicht traurig sein, du! Wir gehen einer ganz großen Zeit entgegen.“
    „ Aber die Heimat! Unser Ländle!“
    „ Es gibt Dinge, Franz, die noch größer sind als die Heimat.“
     
    Tess ging auch am folgenden Tag nicht in die Vorlesung. Riemenschneider ist bestimmt noch nicht wieder da, also hab ich noch Zeit. Ich werde heute meine Garderobe mal nachsehen. Ja, das habt ihr Männer besser. Aber eure Anzüge sind teuer, nicht die Hälfte von dem brauche ich für meine Kleider. Wenn ich sie selbst mache, noch weniger. Wie viel Bücher kann ich mir dafür kaufen!
    „ Tante Amelie!“, rief sie ins Nebenzimmer. „Ja, Kindle?“
    „ Ich will mir heute mein Inselkleid machen.“
    „ Ach, den schöne, geblimte Stoff! Soll ich ihne helfe ?“
    „ Ein bisschen, Tante, ja bitte! Das Maschinennähen, sie wissen ja …“
    „ Mach ich! Schneiden sie zu, Marie-Therese, ich mach derweil hier mei Sach fertig .“
    So wurde das Kleid genäht und viel geplaudert und die Zeit darüber vergessen. Als es sechs schlug auf der alten Schwarzwälder Uhr, konnte Tess das bunte, fröhliche Gewand schon anprobieren.
    „ Großartig sitz ’s, Theresle! Gehn Se, schaun Se sich mal im Schpiegel! Aber Kindle, draußen sehn lasse dürfe Se sich damit doch net. Wo Se doch Trauer hawwe!“
    Ein bisschen ernst wurde Tess und schaute ins Weite. Nur einen Augenblick sah sie aus dem Fenster, dann stürzte sie erschreckt ins Zimmer zurück. „Er kommt, Tante!“
    „ Wer kommt?“ Tante Amelie hob sich im Stuhl empor und lugte über die Brillengläser hinweg nach der Straße. „Gott, der neie Herr Professor! Und grad aufs Haus kommt er zu!“
    „ Schnell, Tante, helfen Sie!“
    „ Ja, ausziehe und ins alte Wams geschlüpft! So – so – so! Mache Se’s drüwe zu, ich will’n derweil hier empfange.“
    Kaum hatte sich Tess wieder in Ordnung gebracht, als sie die Stimme nebenan hörte, die sie unter Zehntausenden herauserkannt hätte, die Stimme, die sie immer an ein Cello in mittleren Lagen erinnerte: „Ist Fräulein von Leudelfingen wohl zuhause? – So? Und ist sie wohlauf? Ich machte mir schon ein wenig Sorge um sie.“
    Zur Türe stürzen wollte Tess und wurde doch so rot und das Herz flatterte, dass man’s festhalten musste. O Gott, gib mir Kraft! Schnell gib mir Ruhe! Ruhe! Ruhe!
    Und da wurde auch schon die Türe vom Esszimmer her geöffnet; die Tante, die noch viel mehr den Kopf verloren hatte, führte ihn ganz einfach in ihr Zimmer. In das sie sich zum Umziehen zurückgezogen hatte! Etwas zögernd trat er ein.
    „O, sehr gut sehen sie aus! Das freut mich herzlich.“
    Tess reichte ihr bebendes Händchen hin und machte einen Knicks wie eine Lyzeenerin. Dann hatte sie’s überstanden und sah ihm voll in die Augen. „Ich danke ihnen, dass sie mir diese Freude machen. Herr Doktor – Herr Professor! Ich gratuliere!“
    Er winkte ab mit einem Lächeln, das gleich wieder das geheime Bündnis herstellte. „Sie haben mir das so zugeworfen, beinahe hätte ich gesagt: ‘‘nachgeworfen’’! Ich werde nun kaum – (er dämpfte die Stimme) – noch länger hierbleiben können.“ Er sah sich fragend nach der Türe zum Esszimmer um.
    Tess führte ihn fort nach der entgegengesetzten Ecke und fragte leise: „Sie können die Versuche in größerem Maßstabe hier nicht weiter fortführen? Nein, ich dachte mir‘s.“
    „ Ja, wir müssen nun in etwas größeren Dimensionen denken. – Ich hoffe doch, sie helfen mir weiter?“
    Tess dankte dafür innerlich, ganz innig nickte sie ihm zu.
    „ Ebersbach ist Gott sei Dank wieder gesund, aber ich brauche jetzt mindestens drei bis vier Helfer; allein bei der eigentlichen Ausführung, von den Vorbereitungen ganz zu schweigen. Wissen sie noch einen

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