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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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absolut zuverlässigen Menschen? Aber zugleich einen tüchtigen Chemiker!“
    „ Tatsächlich, einen solchen kenne ich, jede Hand kann ich für ihn ins Feuer legen, ich kenne ihn seit meiner frühsten Kindheit. Sie kennen ihn auch: studiosus chemistriae Sellentin.“
    „ Ach, den Schlanken, Blonden mit dem Jung-Siegfried-Gesicht? Sehr gut, den hätte ich schon längst gern – hm – einmal kennengelernt. Ja, und nun handelt sich’s um die Frage – hm – München oder Berlin?“
    „ Ach München, Herr Professor ja?“
    „ Das dachte ich auch sogleich. Liegt uns Süddeutschen ja viel mehr. Aber! Die praktischen – die industriellen Möglichkeiten sind in Berlin vielseitiger. Denken sie mal an Siemens! Ein ganzes Stadtviertel da draußen, die ‘‘Siemensstadt’’! Und da kommt kein Spion hinein.“
    „ Aber sie wollen’s doch nicht Siemens preisgeben?“
    „ Noch nicht.“
    „ Nie, Herr Doktor!“
    „ Ja – darüber bin ich mir noch gar nicht klar.“
    Tess dachte an ihren Vetter in Berlin, der suchte ja so etwas. – Wenn sie ihn zum Fest hierher schaffen könnte!? – „Herr Professor!“
    „ Ja?“
    „ Ist nicht bald das Sommerfest des naturwissenschaftlichen Vereins?“
    „ Ja, in acht Tagen.“ – Er sah sie an. „Warum meinen Sie?“
    Tess lächelte. „Jetzt habe ich auch mal ein Geheimnis vor ihnen, Herr Professor. – sie kommen doch zu dem Fest?“
    „ Ja das muss ich ja wohl. – Geheimnisse haben Sie?“ Er drohte lächelnd.
    Tess rückte näher. Er war so prachtvoll, jetzt konnte man die Frage einmal wagen: „Bis zu welcher Energie glauben sie mit dem nächsten Apparat zu kommen?“
    Riemenschneider senkte langsam den Kopf, sodass sie ihre vorwitzige Frage schon bereute, aber es zeigte sich, dass er nur nachdenken wollte. Immer wieder griff man zu falschen Maßstäben, wenn man ihn mit anderen Menschen verglich. Als er den Kopf hob, war er aus dem plaudernden Gesellschafter wieder zu dem Akademiker gewordenen, in unglaublich kurzer Zeit konnte sich bei ihm dieser Wandel vollziehen.
    „ Ich denke mir das so,“ – mit seinen Händen baute er Apparat für Apparat vor ihren Augen auf. – „Hier liegt die Röhre, durch die ich anfangs die Energie schicke, sagen wir 50 Watt. Durch die herausgeschleuderten Elektronen der Eisenatome wird sie gesteigert auf 1.000 Watt. Diese neue Energie schicke ich in eine zweite, bedeutend größere Röhre, die mir etwa 20 Kilowatt liefert. Darauf steigere ich zum dritten Mal in einer noch nicht vorhandenen, in München zu bauenden Röhre, die wie eine Kanone aussehen wird.“
    „ O, wie herrlich! Und die liefert?“
    „ Ich hoffe – 400 Kilowatt.“
    Tess sprang auf und griff nach den Händen, die dies Ungeheuerliche ausmalten, aber da er die Augenbrauen in die Höhe zog und den Finger an die Lippen legte, zuckte sie erschreckt zurück und griff sich an die Schläfen, an die Stirne, an die Augen. Alles tanzte vor ihren Blicken. „400 Kilowatt aus 50 Watt!!!“
    „ Ach, wir kommen noch viel höher! Diese endgültige Stromausbeute kann ich ja noch gabeln, in 20 parallele Leitungen schicken, die in 20 Röhren wie in Nummer eins einmünden. Dann geht das Spiel von Neuem los, aber zwanzigmal, sodass wir am Schluss – von einigen Verlusten abgerechnet – bis zu 8 Megawatt kommen. Das sind mehr als 10.000 PS .
    Tess wich vor dem, der dies sagte, zurück wie vor einem Gespenst. „Dann können sie mit 50 Watt, – das sind ¼ PS – also einem ganz kleinen Fahrradzusatzmotor, einen Ozeandampfer antreiben!“
    Riemenschneider stand, in Gedanken verloren, die beiden Hände noch so, wie er die große, kanonenartige Röhre vor ihr gehalten hatte. Tess ergriff jetzt diese Hände, das Einzige, woran sie ihren Dank, ihre Begeisterung, ihre grenzenlose Bewunderung auslassen konnte. Fast ohne ihr Bewusstsein sank sie vor ihm in die Knie und bettete ihr Gesicht in diese Hände. Sah er es nicht? Spürte es nicht? Er starrte noch immer in die Weite, in das Grenzenlose, in die Welt jenseits, lächelte dem, den er dort erblickte zu, ein bisschen dankbar, ein bisschen verlegen. Entschuldigung heischend, vielleicht weil er die Krone trug, deren er sich nicht für würdig hielt. Dann, in die Welt diesseits zurückkehrend, fiel ihm plötzlich etwas ein, schnell zog er die Hände, die er ganz vergessen hatte, an sich und stürmte ohne Abschiedsgruß hinaus.
    Langsam erhob sich Tess und trat ans Fenster. Als Tante Amelie eintrat – die während der ganzen Zeit an

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