Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
Vom Netzwerk:
Absatz um. Ganz unmöglich, so in die Vorlesungen zu gehen! Gerade kam das Milchmädchen über die Straße, ein ‘‘Schwabenkind’’, das Tess schon zwölfmal geknipst hatte, Heimlich! Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie Tessis Verwundungen sah, aber Tess winkte schnell ab.
    „ Gibt’s nichts Neues, Bienele?“
    „ Ebbes Neies? Na, Baroness, heit net !“
    „ Gar nichts passiert in der Stadt?“ Tess fixierte sie scharf.
    „ Nix, das i wüsst! – Ei, nur das Gewidder in der Nacht !“
    „ Ein Gewitter ist gewesen?“
    „ Das hawe Se net gehert ?“ Die Perlen blitzten, die Grübchen vertieften sich in den festen Wangen, die schwarzen Locken flogen und die Hände klatschten zusammen. „ Awer es hat doch eingeschlage !“
    „ Aber wo denn Bienele?“
    „ Nu, drüwe im kemische Inschdidut, sage se .“
    Tess wurde blass. „Was sagst du, im Institut??“
    „ Nu, den neien Professor solls doch darschlage hawwe .“
    Tess fuhr zusammen, als hätte sie selbst der Blitz getroffen, beruhigte sich aber sofort wieder, als sie die Nachrichten des ‘‘Tübinger Tagblatts’’ genauer überdachte. „Ganz gut, wenn sie’s so auslegen!“, sagte sie zu sich selbst. Sie könnten uns gar keinen größeren Dienst erweisen. – „Heute zwei Flaschen, Bienele!“ Sehr vergnügt ging Tess in ihre Wohnung zurück. Und sehr ausgiebig trank sie heute Kaffee. Aber dann musste man sich doch irgendwie beschäftigen, den Vormittag rumbringen. Wenns möglich war, nützlich! Gott, wie lang so ein Vormittag wird, wenn man mal nicht ins Kolleg geht! Was fang ich bloß an, um die Zeit hinzubringen, nur bis zum Mittagessen? – Ich könnte jetzt zu Franz gehen. Ich habe ihn gestern Nacht schlecht behandelt. Aber der ist natürlich im Institut; er hat jetzt mit den Analysen angefangen und wird den ganzen geschlagenen Tag nicht mehr aus dem Bau herauskommen, so wie er alles, was er einmal angefangen hat, ernst nimmt. Ein Pfundskerl! Ich will sehr gut zu ihm sein. Er ist mir inzwischen wie ein Bruder.
    Tess nahm ein neues Buch vom Bort. In die Sprengstoffchemie wollte ich mich ja einarbeiten. Ein unheimliches, aber ungeheuer interessantes Gebiet.
    „ Jeder brennbare Stoff mit einem Sauerstoffträger innig gemischt ergibt einen Sprengstoff. Das alte Schwarzpulver zum Beispiel ist ein Gemisch aus Schwefel, Holzkohle und Salpeter. Doch ist die Verbrennungsdauer solcher Gemische relativ groß, ihre Wirkung also nicht bedeutend, gemessen an der Wirkung der heute fast ausschließlich gebrauchten Explosionsstoffe, die den brennbaren Bestandteil und den Sauerstoffträger in einem und demselben Molekül enthalten. (Schießbaumwolle) Ihre Verbrennungsdauer ist äußerst gering, ihre Wirkung (Brisanz) also sehr beträchtlich.“
    Tess legte das Buch hin. Alles sehr schön und gut, aber wo bleiben die Versuche? Und wo bleibt das lebendige Wort und … Ja! Er hat uns verwöhnt, nichts will mehr schmecken, wenn er es nicht angerichtet hat.
    Sie sprang auf und stellte das Buch wieder an seinen Platz. Ich will skizzieren. – Alle seine Apparate habe ich mir in der Mappe gesammelt, aber das ist gar nichts, meine Lehrerin sagt, ich müsste mich jetzt an Köpfe heranmachen. – Wenn ich ihn mal skizzierte! Ihre Augen leuchteten auf, sie sprang zum Schrank und holte Reißbrett, Gummi und Stifte. Eine Weile versuchte sie, aus der Erinnerung die Umrisse dieses bedeutenden Kopfes auf das Papier zu werfen. Sie skizzierte, trat zurück, schaute es sich an und – radierte alles wieder fort. Dreimal setzte sie an – es gab nichts.
    Sie sah auf die Uhr – eine Stunde hatte sie damit hingebracht. O Gott! Und was jetzt? – Ich könnte das Studium der geheimnisvollen Kräfte im menschlichen Körper wieder aufnehmen, ‘‘Yoga’’!
    Der Europäer legt sehr viel Wert darauf, seine Apparate zu vervollkommnen. Doch das hat natürlich seine Grenzen, und über diese Grenzen ist der Europäer eben noch nicht hinausgekommen. Der Inder versucht, das Problem von der anderen Seite aus zu lösen; er gibt nicht viel auf die Apparate, auf die materielle Seite der Sache, er verspricht sich Fortschritte über den heutigen Stand der Wissenschaft hinaus allein von einer Vervollkommnung des beobachtenden Subjekts. Was kann der beste Apparat nützen, wenn ein Bantuneger hinter ihm sitzt! So hoch aber, wie der Europäer über dem Bantuneger steht, so weit überragt der okkult geschulte Inder jeden europäischen Wissenschaftler.
    Ein sehr feiner Gedanke,

Weitere Kostenlose Bücher