Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
Vom Netzwerk:
Stimme heraus, mit übermenschlicher Energie ihr Beben unterdrückend.
    „ Ah, sieh da, Fräulein von Rechberg-Leudelfingen! Und gar nicht mehr in Trauer?“
    „ Nein, ich habe heute keine Zeit zu trauern.“
    „ An einem so fröhlichen Tag, freilich!“
    „ Fröhlich? Erscheint ihnen dieser Tag fröhlich?“ Sie trat ihm einen Schritt näher.
    Der Geheimrat wich unwillkürlich zurück, er sah sich Hilfe suchend nach seinen Freunden um, aber die hatten längst das Weite gesucht. In seinem Schädel arbeitete es; sollte man nicht auch selbst sich in Sicherheit bringen? In die Öffentlichkeit flüchten? Aber den einzigen Ausweg, den der Tisch und diese rasende Amazone noch übrig ließen, war durch den verfluchten strohköpfigen Lümmel gesperrt, der ihm schon mal irgendwo in die Quere gekommen war. Also raffte er sich zu seiner Würde auf und fragte kühl: „Womit kann ich dienen?“
    „ Ich verzichte auf ihre Dienste Herr Geheimrat, aber Rechenschaft sollen sie mir geben!“
    „ Zeus, du hast unrecht, denn du wirst böse!“, zitierte der Geheimrat mit erhobenem Zeigefinger.
    „ Ich denke, der besagte ‘‘Zeus’’ hier sind sie“, erwiderte Tess frech. Der ganze Hintergrund freute sich diebisch. „Wahrhaft olympisch haben sie ihre Ägis geschüttelt!“
    „ Was wünschen sie eigentlich von mir?“, fragte der hohe Herr jetzt scharf.
    „ Dass sie mir sagen, was sie mit ihren Andeutungen von ‘‘staatlichem Eigentum’’ usw. gegen unsren Riemenschneider eigentlich wollten!“
    „ Ihren Riemenschneider?“
    „ Ja, unseren!“, rief es drei – vierstimmig aus dem Hintergrund.
    „ Haben sie unsere Unterhaltung – hm – belauscht?“ Das sollte offenbar mit unsäglicher Verachtung herauskommen.
    „ Jawohl!“, warf ihm Tess frech ins Gesicht.
    In diesem Augenblick trat ein Herr von hinten an die Gruppe heran und tippte Tess auf die Schulter. Sie schien es gar nicht zu bemerken.
    „ Du, dein Vetter aus Berlin!“, raunte Franz ihr zu.
    Tess fluchte grimmig im Inneren. Jetzt ausgerechnet muss er kommen! – „Wir sprechen uns noch, Herr Geheimrat!“ Noch einen bösen Blick bekam er ab, dann schnellte sie herum. „Ach. Vetter Leo! Viel hab ich dir zu erzählen.“
    Der Geheimrat atmete auf, aber zu früh. Korrens trat schnell vor und ließ den Hieb niedersausen, der noch fallen sollte: „Wir haben auch das gehört, was sie vorher zusammen geredet haben, Herr Geheimrat!“
    „ Wir können das jederzeit auf unsren Eid nehmen“, vollendete Wedekamp.
    Der hohe Herr wurde kreidebleich, seine Lippen zuckten, aber herausbringen konnte er nichts mehr. Schnell ging er fort, gleich aus dem Garten ging er hinaus. Auf dem Fest wurde er nicht mehr gesehen.
    „Du bist ein wenig aufgeregt, liebe Base?“, fragte der Major, „gab es dort eine kleine Auseinandersetzung?“
    Tess ergriff noch einmal die Hand des Vetters, erst jetzt sah sie – zu ihrem Bedauern – dass er in Zivil war, aber die schlanke Gestalt in dem eleganten grauen Anzug, die abgemessenen Schritte, die diskreten Bewegungen, alles verriet den Offizier. „Gut, dass du kamst, Leo! Ich war auf dem besten Weg, eine große Dummheit zu begehen.“
    „ Ist dir der ältere Herr, mit dem du – sprachst, zu nahe getreten?“
    „ Mir nicht, aber unserem Riemenschneider! Dem jungen, genialen Professor, von dem ich dir neulich schrieb.“
    Der Major lächelte. „Um den ich hierherkommen sollte? Er ist also hier? Das trifft sich ja gut. Und wie ihr für ihn in die Schanze tratet, eine tatenbereite Gruppe, eine bessere Empfehlung für ihn war wohl nicht denkbar.“
    „ Soll ich dich ihm gleich vorstellen, Leo?“
    „ Das wäre gut, liebe Base; wir werden viel zu besprechen haben und meine Zeit ist nicht sehr reichlich bemessen.“
    „ Dort steht er an der Biertafel, man wollte ihn zum Präsidenten machen, aber das liegt ihm nicht. Komm, er wird sich freuen, wenn wir ihn aus dieser Verlegenheit befreien.“
    „ Ja, wirklich? Ich möchte ja auf keinen Fall hier irgendwie störend in das Räderwerk eingreifen.“
    Tess lachte laut. „Komm nur! – Macht doch Rektor Wüllner zum Präsidenten!“, raunte sie im Vorübergehen Wedekamp zu.
    Das geschah denn auch. Wüllner, der martialische, der trinkfestere Herr, sträubte sich nicht lange. „Silentium – Silentium, ad loca!“, brüllte er durch den Garten, während Riemenschneider und Major von Rechberg-Tailfingen ihre gemessenen Verbeugungen voreinander machten und sich die schmalen, feinen

Weitere Kostenlose Bücher