Entfesselte Energien (Band 1)
ungewöhnlicher Charakterstärke. Ich bin mir sicher, sie würde nicht einmal auf der Folter sich zu einer Aussage zwingen lassen.“
Der Major nickte in nachdenklicher Zustimmung. „Sie werden ihr Vertrauen niemals bereuen.“
„ Und die Sache“, fuhr Riemenschneider fort, „ist folgende: Wir gewinnen, indem wir die Moleküle in Eisendrähten ordnen und die Randelektronen herausschießen, elektrische Ströme von enormer Energie, als wir sie in den Apparat schickten. Und wenn wir dieses Verfahren mehrfach hintereinander anwenden, steigern wir die Energie von Stufe zu Stufe, sodass aus ganz kleinen Anfangsenergien, ausgehend von 50 Watt ganz leicht zu acht bis zehn Megawatt kommen.“
Der Major blieb stehen, auch die Sprache schien ihm zu versagen, eine Weile schaute er den, der ihm dieses sagte, prüfend an. War der Mann noch bei Sinnen? Aber ein Blick in die Augen genügte ihm; da glimmte etwas in großer Tiefe, etwas so Außerordentliches, das in gar keinem Verhältnis zu dem Menschen stand, zu dem diese Augen gehörten. Das war viel mehr als die 10 Megawatt, die der Mann herstellte, das war mehr als alles, was er in Berlin, selbst im Generalstab je gesehen hatte. Er fragte, um nur irgendetwas zu sagen: „Welchen Raum würden die Apparate, die diese Energie herstellen, etwa einnehmen?“
Riemenschneider lächelte. „Es ist nicht so, wie sie wohl in modernen populären Broschüren schon gelesen haben werden: In einem Kupferpfennig steckt soviel Kilowatt, dass man 400 Jahre lang die Maschinen einer Fabrik damit betreiben könnte. Nein, ich würde für die zehn Megawatt so etwa die Räumlichkeiten eines kleinen Siedlungshauses benötigen.“
Wieder blieb der Major stehen. „Das ist ganz ungeheuer! Sie könnten von da aus natürlich immer neue Stationen speisen und auch in ihnen die Energie immer wieder auf 10 Megawatt bringen?“
„ Gewiss!“
„ Wir könnten also mit einer ganz minimalen Anfangsenergie, sozusagen aus nichts, an der ganzen Grenze Energiestationen speisen. Energiestationen in tiefen, betonierten Unterständen, und damit so fabelhafte Apparate in Tätigkeit setzen, dass ein Überschreiten der Grenze – am Boden oder in der Luft – faktisch unmöglich gemacht wäre! Wir brauchten dann überhaupt keine Armee mehr, wir könnten im Kriegsfall unser Vaterland hermetisch abschließen.“
„ Außer gegen weittragende Geschütze!“, verbesserte der Erfinder.
„ Nun ja, wir wollen ja auch die Armee nicht abschaffen“, lächelte der Major. Dann wurde er plötzlich sehr ernst.
„ Herr Professor. Sie dürfen nicht hier bleiben – hier in Tübingen – keinen Tag länger, möchte ich sagen. Wenn das bekannt wird – und sie können’s ja hier gar nicht geheim halten – werden sie der berühmteste Mann der Welt und sind ihres Lebens nicht mehr sicher. Hoffentlich ist das Verhängnis nicht schon auf dem Wege. Haben sie noch nicht gemerkt, dass man ihnen – hm – nachspürt?“
„ Zweimal sind sie mir nachts in das Institut eingebrochen und haben mir …“
Der Major griff entsetzt nach dem Arm seines Begleiters, um ihn festzuhalten und in sein Gesicht zu schauen, was bei seiner sonstigen peinlichen Diskretion auf eine nicht geringe Erregung schließen ließ. Er beruhigte sich aber sogleich wieder, als er das verschmitzte Lächeln seines Begleiters gewahrte. „Haben sie nichts gefunden in ihrem Laboratorium?“
„ Nur das, was ich in Voraussicht solcher Vorkommnisse in dem einzig verschließbaren Schrank verborgen hatte.“
„ Nichts von dem eigentlichen Apparat??“
„ Den ganzen eigentlichen Apparat haben sie beim zweiten Mal mitgenommen – aber gefüllt mit einem Inhalt, an dem sie sich wohl ihre Zähne ausgebissen haben werden. Den hellsten Blödsinn hatte ich hineingestopft.“ Herzlich lachte Riemenschneider und, aus schweren Ängsten befreit, lachte auch sein Begleiter mit.
„ Zweimal haben sie mir aus dem Ausland lockende Angebote gemacht.“
„ Aus welchem Land?“
„ Einmal aus Amerika, das andere Mal aus Holland.“
„ Also beide Male aus den USA, der Auftraggeber hat nur inzwischen einen Agenten in Holland mit eingeschaltet. Wir kennen das aus so vielen Fällen. – Haben sie die Briefe noch, Herr Professor?“
„ Nein, die sind gleich in den Papierkorb gewandert.“
„ Schade!! – Aber vielleicht sind sie noch im Papierkorb?“
„ Das wäre nicht unmöglich“, meinte Riemenschneider leichthin.
Der Major blieb stehen. „Dann lassen sie uns doch
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