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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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wurde.“
    „ Frömmigkeit ist – die Ergebenheit in Gottes Willen“, stellte der Mineraloge in seinem hohlklingenden Falsett fest.
    „ Sehr richtig!“, bestätigte der Physiker erfreut und mit einer Wichtigkeit, als sei man dadurch einen bedeutenden Schritt weitergekommen.
    Riemenschneider sah sich seine Gegner – dass sie das waren, daran konnte ihm kein Zweifel mehr sein – der Reihe nach etwas skeptisch an. Worauf sie eigentlich hinauswollten, war ihm noch nicht ganz klar. Wollten sie ihn mit Binsenwahrheiten anöden?
    „ Gottes Willen!“, wiederholte Sertorius nachdenklich. „Wie sieht aber der Gott der heutigen Menschheit aus?“
    Riemenschneider beschloss, sich so lange nicht mehr an der Debatte zu beteiligen, bis erkennbar wurde, was für einen Zweck man damit verfolgte. Er stützte das Kinn in die linke Hand und sah nachdenklich auf die Tischplatte.
    „Rauchen sie nicht, Herr Kollege?“, fragte Sertorius vertraut, sich teilnehmend zu ihm hinüberneigend. Er zog diensteifrig sein sehr nobles Zigarrenetuis heraus und bot es an.
    „ Ich danke! Nein, ich rauche nicht.“
    „ Kollege Riemenschneider ist ermüdet“, stellte der Mineraloge behutsam fest.
    „ Nach der anstrengenden Tour“, bestätigte der Physiker, „ist ‘s kein Wunder. – Was machen wir da?“
    Die Drei sahen sich fragend an und schwiegen eine Weile.
     
    „Bitte fahren sie nur fort!“, bat Riemenschneider, „ich hätte gerne gehört, zu welchem Punkt ihre Unterhaltung führen wird.“
    „ Cha, cha, cha!“, machte Sertorius und tippte mit den Fingerspitzen der rechten Hand graziös auf den Tisch, „eine heikele Frage!“
    „ Ist der heutige Gottesbegriff“, fragte der Physiker im Kreise umher, „weit genug, dass er auch die Rücksicht auf den Staat in seine Grenzen einschließt?“
    „ Nu, das mein ich doch ganz entschieden!“, röhrte der Mineraloge.
    „ Eben gerade der Heutige!“, bestätigte der Geheimrat nachdenklich und leise, wandte sich aber doch zur größeren Sicherheit noch einmal fragend zu Riemenschneider herum.
    Riemenschneider sah ihn ernst an, antwortete aber nicht. – Am Nebentisch saßen sie wie auf Kohlen.
    „ Die Biertafel ist fertig aufgebaut“, raunte Wedekamp, „ich werde jetzt ad loca kommandieren und ‘‘Ihn’’ auffordern, das Präsidium zu übernehmen. Was?“ Er sah sich fragend im Kreise um.
    „ Einen Augenblick noch!“, gebot Tess leise, aber bestimmt. „Da kipp’s gleich um.“ Sie lauschte aufs Äußerste gespannt, ohne es noch im Mindesten zu verbergen.
     
    Der Garten hatte sich inzwischen mit einer bunten Menge gefüllt, es wimmelte so von dunklen Anzügen und hellen Damenkleidern, dass man die einzelnen schon nicht mehr unterscheiden konnte. Ein lautes Stimmengewirr drang auch an diese beiden abgelegenen Tische. Der Geheimrat schien zu erkennen, dass man zum Schlag ausholen musste, wenn nicht diese einzige Gelegenheit hierzu vorübergehen sollte. Den Kopf schräg legend und nur mit dem rechten Zeigefinger auf den Tisch tippend, fragte er – eigentlich sich selbst – „Ob aber auch das Eigentum des Staates mit eingeschlossen wird – von den heutigen Gottesverehrern?“ Er warf einen tückischen Seitenblick auf Riemenschneider, ohne seine Kopfhaltung zu ändern, wodurch die Falschheit noch erkennbarer wurde.
    Riemenschneider horchte auf. Merkte er es jetzt?
    Der Geheimrat wandte sich sofort ab und warf einen lauernden Blick auf seine Helfershelfer. Die schwiegen aber. Hatten sie die martialische Gestalt des Rektors erblickt, der eben mit machtvollen Schritten auf den Tisch zusteuerte?
    „ Ach, Herr Kollege Riemenschneider! Da sind Sie? Ich suche sie schon im ganzen Garten.“
    Riemenschneider sprang auf, entschuldigte sich kühl bei den ‘‘Giftmischern’’, aber doch sichtlich noch vollkommen ahnungslos, und ging dem dicken Wüllner entgegen. Gleich nahm ihn der Rektor gut gelaunt in den Arm und führte ihn fort in den sonnigen Garten unter fröhliche Menschen.
    „ Gott sei Dank!“, stöhnte Wedekamp auf.
    „ Schade!“, zischte Tess bös.
    „ Wieso schade?“
    „ Weil ich dem langen Zeus noch den Hals brechen wollte!“ Sie überlegte einen Augenblick, ihre stahlblauen Augen bohrten sich förmlich in den Kies vor ihren Füßen. Dann riss sie sich los und fuhr jäh nach dem anderen Tisch herum, wo eben die alten Knacker ihre steifen Beine wieder fest auf die Erde stellten. „Herr Geheimrat, darf ich sie mal etwas fragen?“, stieß sie mit fast tonloser

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