Entfesselte Energien (Band 1)
ausschließlich mithilfe des Elektromotors, der für unsere Luftfahrzeuge zu massiv, zu schwer ist.“
„ Dann müssen sie sich also noch daran machen, Herr Professor“, lächelte der Major.
Riemenschneider machte eine ungewisse Gebärde. „Einen leichten Motor ausdenken!? – Vielleicht den Strom hoher Spannung, wie wir ihn erzeugen, sofort in kinetische Energie umsetzen, ohne ihn erst herabzutransformieren. Aber wie? Im Prinzip ist dieses Problem ja bereits gelöst: Schickt man solche Hochspannung in eine Influenzmaschine, so dreht sie sich.“
„ Na also!“
Riemenschneider lachte. „Ja, aber damit könnte man kaum einen Kinderballon in Bewegung setzen. Ein Hochspannungsmotor ist – ja der fehlt uns noch. Seltsam! Auf den Gedanken scheint noch niemand gekommen zu sein. – Es wird nicht leicht sein.“
„ Warum nicht?“
„ Wegen der Isolation. Solche Hochspannung ist natürlich auch lebensgefährlich. Da muss noch viel gegrübelt werden, aber es ist vielleicht ein dankbares, zukunftsreiches Arbeitsgebiet. Riemenschneider blieb stehen und überlegte. „Ideal wäre es natürlich, wenn wir die Elektronen, so wie wir sie gewinnen, gleich in eine rotierende Bewegung brächten, die ihrerseits wieder unserer Maschine den Antrieb gäbe. So etwas wie der Ring im Drehstrommotor müsste es sein.“
„ Erfinden sie diesen neuen Ring noch! Es schadet gar nichts, wenn es noch eine Weile dauert. Ich denke eben an unsere Kohlenverwertung, an die im Entstehen begriffene, außerordentliche gesteigerte Verflüssigung der Kohle, die uns in vier Jahren vom ausländischen Erdöl unabhängig machen soll. Was sollte es geben, wenn alle diese neuen, sehr kostspieligen Anlagen auf einmal wertlos, zwecklos würden!“
„ Also komme ich zu früh mit meinen Versuchen?“, fragte Riemenschneider etwas zaghaft.
„ Oder zu spät! Um ein Jahr zu spät. Hätten sie das erfunden, ehe der Vierjahresplan entstand!?“
„ Ich bin nicht eher fertig geworden“, gestand Riemenschneider mit kleinem Lächeln.
Der Major griff herzlich nach seiner Hand. „Es kommt so, wie es kommen muss. Mein erster Gang in Berlin ist zu dem betreffenden Dezernenten im Kriegsministerium und mit ihm zusammen zum Reichskanzler. Ich freue mich auf diesen Gang, unser Kriegsminister wird jubeln und jauchzen. Wenn sie einen Freund in der Welt gewinnen, Herr Riemenschneider, so wird er es sein.“
Riemenschneider wehrte bescheiden ab. „Ach lieber Gott. Sie wollen mich doch nicht etwa zu den hohen Herren bringen?“
„ Nur keine Bange nicht!“, sagt der Berliner. Der Major legte freundschaftlich seinen Arm um des anderen Schulter.
Gerade dies sah Tess, die schon sehnsüchtig nach den beiden ausgeschaut hatte. Sie freute sich an diesem Anblick so, dass ihre Augen ganz feucht wurden.
„ Du zitterst?“, fragte ihr Vetter, als er ihr die Hand reichte.
„ Nur vor Glück!“, stammelte sie.
„ Er ist wundervoll!“, hauchte er ihr ins Ohr. Laut sagte er: „Ich komme nachher zu dir, liebste Tess, wir haben noch etwas Wichtiges dort zu untersuchen, es wird nicht lange dauern.“
Sie fanden in Riemenschneiders Wohnung in der Tat den einen der ominösen Briefe. Der Major studierte ihn genau. „Entweder ganz naiv“, meinte er schließlich, „oder – sehr raffiniert. Darf ich ihn mitnehmen nach Berlin?“
„ Natürlich, wenn er ihnen irgendetwas nützen kann.“
„ Ich werde ihn der Nachrichtenabteilung im Generalstab übergeben, vielleicht findet man dort Ähnlichkeiten mit anderen derartigen Machwerken heraus. – Aber nun muss ich Abschied nehmen, hoffentlich nur für kurze Zeit!“
„ Das Semester ist ja bald zu Ende.“
„ Und dann kommen Sie?“
„ Wenn sie mich dort brauchen können!“
Der Major umfing ihn mit einem langen, herzlichen und verheißungsvollen Blick. „Bald hören sie von mir.“ Und wieder und wieder schüttelte er dem neuen Freunde die Hand. „Vorsicht, Herr Professor! Vorsicht!“, waren seine letzten Worte.
Gleich darauf kam die Mutter Riemenschneiders zu ihm ins Zimmer. „Hast de Besuch gehabt, Hermannle? – Warum sollst denn vorsichtig sein?“
Der Sohn ergriff die Hand der Greisin. „Ich muss nun etwas mit dir besprechen. Mutterl, was ich dir bisher immer verschwiegen habe: Ich habe – hm – eine Erfindung gemacht, die …“
„ Ach, das hab ich scho gehört, ich dacht nur, ich derft net drüber spreche.“
Der Sohn streichelte zärtlich der Mutter die Wange. „Wir wollen auch nicht weiter
Weitere Kostenlose Bücher