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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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ihm gesehen worden war. Aber die blonde Baroness und den noch blonderen nordischen Recken durfte man nicht am helllichten Tag ins Haus lassen oder gar in ihrem Heim aufsuchen, das hätte die Klatschmäuler gar zu sehr auf die richtige Fährte geführt. Also benachrichtigte er die beiden im Institut – durch Vermittlung seines treuen Famulus – in welcher Stunde der Nacht sie sich – immer einzeln – an seiner Wohnung einfinden sollten.
    Da Riemenschneider seine zahlreichen schriftlichen Aufzeichnungen über diese und andere Erfindungen nicht unnützer Gefahr auf dem Transport aussetzen wollte, gab er sie seinen beiden blonden Freunden so lange zur Aufbewahrung, bis auch sie abreisen würden. Denn es war ausgemacht, dass er zunächst mit Ebersbach vorfahren wollte, um die Wohnung zu mieten und das Laboratorium einzurichten, die beiden anderen sollten, auch zur Irreführung etwaiger Spione, noch einige Wochen in Tübingen bleiben, als ginge sie das alles gar nichts an. Die Akten wurden in starkes Papier verpackt, versiegelt und dann noch einmal gegen die Feuchtigkeit in Plastiksäcke gesteckt. Einen Teil bekam Tess, die neusten und brenzlichsten Aufzeichnungen. Das Übrige, dem Gewicht nach das Doppelte, wurde dem starken Siegfried aufgepackt.
    Wie stolz war Tess, als sie um Mitternacht nach Hause kam mit dem gewichtigen Paket in ihrer Aktentasche. Viel Schlaf gab es dann nicht mehr, die ganze noch übrige Nacht grübelte sie darüber nach, wo sie das heilige Paket am unverfänglichsten aufbewahren könnte. Auf dem Boden in der Kiste mit ausrangierten Büchern würde es keiner suchen. Aber wenn in dem Gerumpel da oben doch mal Feuer ausbräche! Nein, lieber in die große Truhe, in der sie ihre Wintersachen eingemottet hatte. Aber da konnte leicht mal einer wertvolle Pelze oder Schmucksachen vermuten, die Truhe war noch nicht einmal verschließbar. Der Morgen dämmerte schon ins Zimmer, als sie sich endlich entschloss, eine Stahlkassette zu kaufen, das Paket darin zu verschließen und dann das Ganze in dem Safe der Sparkasse unterzubringen.
     
    „Und was machen wir jetzt?“, fragte Tess den Freund, als sie ihn am nächsten Tag auf der Straße traf.
    „ Jetzt ahlen wir uns erst mal in unserem jungen Glück“, meinte er, „ich fühle mich blendend als Großsiegelbewahrer.“
    „ Wo hast du’s aufgehoben, Franz?“
    „ In meinem alten, schäbigen Koffer, zu unterst. Da vermutet keiner solche Schätze drin.“
    „ Verschlossen?“
    „ Natürlich!“ Er deutete auf die Brust, wo der Schlüssel an einem Band hing.
    „ Es dauert mindestens noch einen Monat! Du hast also noch Zeit, hier in Tübingen Tanzstunden zu nehmen.“
    Franz schnitt eine Grimasse.
    „Nicht schön, aber sehr wichtig!“, drohte sie.
    „ Wer’s Danze erfunde hadd, dem könnt i’s Kreiz aushänge“ , schwäbelte er.
    Tess lachte hell auf. „Würde es dir eine Erleichterung bedeuten, wenn ich es mitmachte?“
    „ Was? Die Tanzstunde?“
    „ Ja!“
    Jetzt war das Lachen an ihm. „Du und noch mal das Gehopse lernen? Du giltst als die beste Tänzerin von ganz Tübingen.“
    „ Jetzt Spaß beiseite! In Berlin dürfen wir uns in der Gesellschaft nicht blamieren, sonst ist’s gleich aus. Also du kommst mit?“
    „ Ja.“
    So wurde denn Tanzstunde genommen und gutes Benehmen geübt. Viel zu lachen gab ’s dabei; die ‘‘langen Staken’’ des jungen Bären, zu Speerwurf und Weitsprung wohl geeignet, hier, in der Schule der Eleganz und Zierlichkeit machten sie gerade keine gute Figur. Recht eckig kamen die Tanzschrittchen heraus, das Schleifen und Wiegen wollte lange Zeit nicht klappen und manches Damenfüßchen kam unter die langen Pedale des ‘‘Renommierfuchses’’. Gleichwohl standen bald ein halbes Dutzend Mädchenherzen in hellen Flammen, war er doch ein ‘‘goldig Bübchen’’, wenn er auch manchmal im Ballsaal recht unballmäßig fluchte und wetterte. Die Tanzlehrerin schüttelte oft in heller Verzweiflung den Kopf und klagte ihrer Freundin Tess, ihrer Musterschülerin, im geheimen ihr Leid über den ‘‘Eisbären’’. Und doch freute sie sich jedes Mal, wenn die nordische Reckengestalt mit seiner kleinen Freundin in dem Türrahmen erschien. Und mit der Zeit lernte er ja auch etwas, da Tess noch täglich mit ihm Gymnastik schonungsvollerer Art trieb und ihm Fußball und alle ‘‘Leichtathletik’’ aufs Strengste verbot.
    So ganz spurlos ging dieses veränderte Leben denn doch nicht an dem ‘‘Eisbären’’

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