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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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und freundlich. „Gestatte Papa, einen Augenblick! Ich bin sofort wieder da.“ Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und ging an der noch immer unschlüssig auf dem Flur harrenden Mutter vorüber, hinauf in den Turm. Der fragenden Mutter rief sie die gleichen Worte zu: „Ich komme sofort wieder.“
    Oben überlegte sie einen Augenblick. Ich wollte ja eigentlich nur Zeit gewinnen. Aber – ich könnte ja diese Zeit auch nützlich anwenden. Sie zog ihren Handkoffer hervor und packte in aller Eile ihre Siebensachen hinein. Als sie einmal zufällig aus dem Fenster sah, erblickte sie unten im Hof die hohe Reitergestalt des Grafen R-S, wie er eben sein Pferd einem Knecht übergab und eilig in das Schloss eintrat. Sofort wusste sie, um was es dem Vater – und auch der Mutter – ging. Das alles ist nur ein abgekartetes Spiel und ich bin eine Figur auf diesem Schachbrett. Sie lachte beinahe laut auf. Ihr denkt’s euch doch ein bisschen sehr leicht. – Schnell packte sie fertig und schloss den Koffer ab. Ich könnte euch jetzt ja da unten sitzen lassen und heimlich verduften. Den Koffer wollte ich schon allein zur Bahn schleppen. Aber nein, ich will euch Antwort geben, ihr sollt wissen, woran ihr mit mir seid.
     
    Als Tess wieder nach unten kam, sah sie eben den Bruder mit dem jungen Grafen in eine Türe verschwinden, wie es schien, recht vertraut. Also auch Ulli war schon im Bilde. O Bruder. Einen Augenblick blieb Tess stehen. So habe ich hier keinen Bundesgenossen mehr? Auch gut! Die besten Kräfte entfaltet der, wer sich nur auf sich selbst verlässt.
    Als Tess wieder in das Zimmer trat, sah sie, wie ihr Vater sich aus irgendeiner Haltung aufraffte, die er inzwischen eingenommen hatte und die anders gewesen war von der, in der sie ihn verlassen hatte. Er nahm jetzt wieder Strenge und Spannung an – musste also in der Zwischenzeit etwas gesehen oder gehört haben, was diese Spannung merklich verringert hatte.
    „ Hast du Graf R-S gesehen Papa?“, fragte Tess mit einer Unverfrorenheit, über die der Vater erstarrte. Aber so leicht ließ er sich die Waffen nicht aus der Hand winden.
    „ Du wolltest mir von deinen Zukunftsplänen berichten, Marie-Therese!“, sagte er, wieder zu Stahl verhärtet.
    „ Ich wollte es eigentlich nicht“, erwiderte Tess lächelnd, „aber vielleicht hat es keinen Zweck mehr, euch dies vorzuenthalten.“
    Scharf furchte sich wieder die Stirn des Vaters. „Es ist also wirklich so, du hast Geheimnisse vor uns?“
    Die Tochter hielt den flammenden Blick ruhig aus. „Ich glaubte, es sei richtiger, noch nicht darüber zu sprechen, ehe ich etwas Positives mitteilen konnte. Wie ja auch ihr über einen gewissen Punkt mich im Dunkeln zu lassen, bisher für gut befandet.“
    Der Vater sprang auf, es musste einen furchtbaren Auftritt geben. Tess war nur um einen Schein bleicher geworden, aber ihre Stimme blieb fest und klar und sogar freundlich, als sie fortfuhr: „Irgendeine Überraschung habt ihr für mich bereit und die Vorbereitungen dazu sind, glaube ich, soweit getroffen, dass ihr mir sie jeden Augenblick präsentieren könnt.“
    Der Vater sah so erstaunt auf sie, als ob er einen ganz neuen Menschen vor sich hätte. Er, der seit Jahrzehnten nie einen Widerspruch erfahren hatte. Er, der Regimentskommandeur, der gewohnt war, dass jedes seiner Worte als Evangelium angesehen wurde, musste sich gegen seine eigene Tochter zur Wehr setzen und sehr energisch zur Wehr setzen, wenn er nicht eine Niederlage einstecken wollte. Er hielt einen Augenblick inne und während dieser ruhigen Betrachtung der Lage kam ihm zum Bewusstsein, dass er bei dem Kampf einen schweren taktischen Fehler begangen hatte. Er verließ sich auf einen Faktor, der heute gar nicht mehr existierte; Autorität akzeptiert die Jugend nicht mehr, also war sie mit den altgewohnten Waffen nicht zu schlagen. Das Klügste, was man tun konnte, war, diesen Kampf abzubrechen. Vielleicht dämmerte auch in den tiefsten Gründen des Vaterherzens eine Ahnung auf, dass man ein Mädchen, das über solche Waffen verfügte, ruhig seinen eigenen Weg gehen lassen konnte, es würde sich nicht verirren. Auf solch eine Tochter konnte man auch wohl ein wenig stolz sein.
    Der Vater hielt die offene Hand hin, in die das Mädel herzlich einschlug. Eine Weile sah er in stiller Betrachtung auf sie nieder, dann raunte er ihr vertraut zu: „Graf R-S hat um dich angehalten.“
    „ Ich wusste, dass es das war“, gab sie leise lächelnd zurück.
    „ Und?

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