Entflammt von deiner Liebe: Roman (German Edition)
anderen Gesindel.«
»Wirklich? Ich mag ihn schon viel lieber.« Nash schwieg einen Moment und starrte auf die Briefe. »Meint Ihr, er hat alle gefunden?«
»Ich bin mir dessen sicher«, entgegnete de Vendenheim. »Kemble ist sehr gründlich. Er hat sogar die Teppiche aufrollen lassen, die Bodenbretter untersucht und die Spiegel von den Wänden genommen. Nichts in dem Haus hätten wir nicht gefunden.«
Nash empfand ein tiefes Gefühl der Erleichterung, als er die Briefe in seine Rocktasche steckte. Endlich. Er hatte sie alle.
»Wisst Ihr, Nash, eigentlich sind wir uns doch schrecklich ähnlich, Ihr und ich«, bemerkte de Vendenheim unvermittelt.
»Tatsächlich?« Nash hob den Blick von den Briefen. »In welcher Beziehung?«
De Vendenheim lächelte bitter. »Oh, ich denke, wir beide fühlen uns hier oft wie Außenseiter. Wir werden nie wirklich englisch sein, ich nicht trotz meiner Position in der Regierung, Ihr nicht trotz Eures vornehmen Titels oder des Namens Eures Vaters. Die Gesellschaft wird uns immer als andersartig betrachten.«
»Letzteres macht mir nur wenig aus«, sagte Nash.
De Vendenheims Lächeln verschwand. »Wir sind uns auch noch auf eine andere Weise ähnlich«, fuhr er fort. »Wir sind arrogant und uns unserer Meinung zu sicher. Ich hoffe, Ihr werdet lange und gründlich nachdenken, Lord Nash, ehe Ihr irgendwelche Türen zuschlagt, die nicht wieder geöffnet werden können. Ich selbst war einmal sehr nah davor, das zu tun, vor einigen Jahren. Und jetzt danke ich Gott jeden Tag dafür, dass ich es nicht getan habe. Mein Leben ... es wäre ruiniert gewesen, das erkenne ich jetzt.«
Nash wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Nach einigen Abschiedsworten verbeugte er sich und verließ de Vendenheims Büro. Er fühlte sich dem Mann gegenüber weitaus milder gestimmt als zuvor. Während er langsam Richtung Mayfair schlenderte, gingen ihm unzählige Gedanken durch den Kopf.
Tony war in Sicherheit, und Jenny würde es niemals wieder wagen, sich in England blicken zu lassen. Die beiden Erkenntnisse waren eine große Erleichterung für Nash, doch das war nicht genug. Die Fragen, die Xanthia betrafen, quälten ihn noch immer.
Er hoffte, dass er vor de Vendenheim die Tiefe seiner Verzweiflung hatte verbergen können. Was Xanthia getan hatte, hatte ihn verletzt – tiefer, als er wünschte, dass es irgendjemand erfuhr. Aber ihr Brief, den de Vendenheim ihm gezeigt hatte, war Balsam für seine Wunden gewesen. Vielleicht hatte sie ihre Affäre ja aus den falschen Gründen begonnen, aber es schien, dass sie an ihn geglaubt hatte. Und das war doch etwas, oder etwa nicht?
Es war sogar eine ganze Menge. Ihr Brief an de Vendenheim war kalt und knapp gewesen. Sie wollte mit der Sache nichts mehr zu tun haben und verwies Mr. Kemble ihres Hauses. Nash dachte darüber nach. Hatte sie es ernst gemeint? Vermutlich ja; es gab nichts, was dagegensprach.
Nash erinnerte sich noch an etwas anderes, das de Vendenheim gesagt hatte – etwas, das von Nash in seinem Schmerz und seiner Wut zunächst nicht registriert worden war. Die Agenten des Home Office waren an Xanthia herangetreten – und an Rothewell –, aber erst nach dem Ball bei Lord Sharpe. Einige Tage danach, so hatte es de Vendenheim formuliert. Der leidenschaftliche Kuss zwischen ihnen war also keine Inszenierung gewesen. Vielleicht war das plötzliche Verlangen, das aufgeflammt war, genauso wahr gewesen, wie er einst geglaubt hatte.
Der Gedanke tröstete Nash auf unerklärliche Weise. Aber warum? Noch immer war es Tatsache, dass Xanthia ihn am Ende verraten hatte. Oder hatte sie das nicht getan? Nash schüttelte den Kopf und lief fast vor den Kutschwagen eines Bierbrauers, der von der Cockspur Street abbog. Der Karren rollte rasch vorbei und verfehlte Nash nur um wenige Zentimeter. Der stämmige, rotgesichtige Fahrer schüttelte drohend seine Faust.
Er war zurück auf den Bürgersteig gesprungen und atmete tief durch. Großer Gott. Hatte er ein gebrochenes Herz überlebt, eine Auseinandersetzung mit der französischen Polizei und zwei Wochen in und außerhalb des berüchtigsten Irrenhauses von Paris, nur um jetzt und hier unter den Rädern einer Bierkutsche zu sterben? Der Gedanke kam ihm seltsam abstrus vor. Und der alte Spruch stimmte: Das Leben konnte verdammt kurz sein.
Ja, das Leben war kurz – und für einen flüchtigen Moment war das seine süß und wunderbar gewesen. Würde es jemals wieder so sein? Würde er je wieder fühlen, wie sich
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