Entflammt von deiner Liebe: Roman (German Edition)
treffen.«
Der Mann verbeugte sich. »Es wird alles arrangiert werden.« Dann zögerte er. »Darf ich ganz offen sein, Mylord?«
Nash zog kaum merklich die dunklen Augenbrauen hoch. »Gewiss doch.«
»Seid vorsichtig, Sir«, sagte der Mann leise. »Das Diplomatische Korps ist ein Schlangennest – und die Comtesse de Montignac schlängelt sich genau in seiner Mitte. Wenn der Preis stimmt, würde sie ihre eigene Mutter verraten.«
Voller Bitterkeit verzog Nash den Mund. »Das weiß ich nur allzu gut«, sagte er. »Trotzdem danke für die Warnung.«
Kapitel 1
Ein Ball in der Hanover Street
Frühling 1828
M iss Xanthia Neville zog die Möglichkeit einer Affäre in Betracht. Genau genommen erwog sie die Möglichkeit sogar recht konkret, während sie den Blick über die zahlreichen gut aussehenden und elegant gekleideten Gentlemen gleiten ließ, die ihre Partnerinnen durch die Unwägbarkeiten eines Walzers manövrierten. Cutaways und weite Röcke wirbelten im Schein von Tausenden Kerzen durcheinander. Es wurde mit Champagner angestoßen, Seitenblicke wurden geworfen und verweilten. Alle waren heiter und unbeschwert. Niemand war allein.
Nun, so ganz stimmte das natürlich nicht, denn sie war allein. Im hohen Alter von nicht ganz dreißig Jahren – ein drohender Abgrund – war Xanthia eine eingefleischte alte Jungfer. Nichtsdestotrotz trug sie heute Abend Rot; den dunkelsten und verwegensten Ton von bordeauxrotem Samt, der auf der Pall Mall zu finden gewesen war. Sie trug den Farbton, als könnte er ein subtiles Signal innerhalb der zulässigen Grenzen von Lord Sharpes Ballsaal aussenden.
Doch vielleicht machte sie sich auch nur etwas vor und hatte zu viel von Sharpes Champagner getrunken. In diesem Land hatten unverheiratete Damen keine Affären, sondern heirateten. Selbst ihr zynischer Bruder würde einen Skandal nicht tolerieren. Fakt aber blieb, dass Xanthia, die ansonsten so vortreffliche Geschäftsfrau und geschickte Verhandlerin, keine Ahnung davon hatte, wie man diese Art von Geschäft anging. Sie konnte die gewieftesten Handelsagenten austricksen, Schiffsfrachten in drei Sprachen versenden und auf fünfzig Schritt Entfernung einen unehrlichen Zahlmeister und seine gefälschte Ladeliste erkennen, aber ihr Privatleben fühlte sich an, als wäre es für sie unberechenbar.
Und genau deshalb war auch der Gedanke an eine Liebesaffäre nichts als nur eine weitere Fantasie. Etwas Unerreichbares, das einen zu hohen Preis von ihr fordern würde, auch wenn sie die Liebe in ihrem Leben schmerzlich vermisste.
Fühlte sie sich einsam? Xanthia wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie in ihrem Leben harte Entscheidungen hatte treffen müssen – und dass sie das, meistens zumindest, sehenden Auges getan hatte. Lord Sharpes Ballsaal war voll von hübschen, jungfräulichen Debütantinnen, keine von ihnen trug Rot. Ihnen standen die vielen Möglichkeiten, die das Leben bot, noch offen. Xanthia beneidete die jungen Mädchen und hätte dennoch selbst mit der Schönsten von ihnen nicht tauschen mögen.
Sie wandte sich von dem Meer attraktiver Männer und schöner Jungfrauen ab und ging auf die Terrasse, um allein zu sein. Die Absätze ihrer Schuhe klackten leise auf den Steinen, bis das Stimmengewirr hinter ihr verstummt und auch die Musik nicht mehr zu hören war. Selbst die mutigsten Paare hatten sich nicht so tief in die Dunkelheit gewagt. Vielleicht sollte auch sie wieder umdrehen – die gehobene englische Gesellschaft schien über die seltsamsten Dinge die Stirn zu runzeln –, aber irgendetwas an der stillen Nacht zog Xanthia an.
Am entferntesten Ende der Terrasse blieb sie stehen und lehnte sich gegen die Hauswand, die noch die Wärme des ungewöhnlich milden Frühlingstages gespeichert hatte. Seit vier Monaten war sie nun schon in London, aber bis jetzt hatte sie keine richtige Wärme gespürt. Sie ließ den Kopf in den Nacken sinken und schloss die Augen, während sie das Gefühl genoss und den Rest ihres Champagners trank.
»Ach, wäre ich doch die Ursache für diesen Gesichtsausdruck«, murmelte plötzlich eine tiefe, wehmütig klingende Stimme. »Selten sehe ich eine Frau so hingerissen – es sei denn, sie ist mit mir im Bett.«
Xanthia zuckte zusammen und riss die Augen auf.
Ein groß gewachsener Mann stand vor ihr. Selbst in der Dunkelheit spürte sie die Hitze seines Blickes, mit dem er sie musterte. Sie erkannte ihn wieder, denn sie hatte ihn schon zuvor bemerkt – gelangweilt zurückgelehnt in
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