Entflammt von deiner Liebe: Roman (German Edition)
Mann mit vielen Talenten.«
Xanthia bezweifelte das nicht. Er war unterhaltsam, auf eine aufdringliche, aber nur leicht gefährliche Art und Weise, zudem gab es einen unübersehbaren dunklen Schatten in seiner Persönlichkeit. Aber zumindest war er nicht langweilig.
»Also gut«, stimmte sie schließlich zu. »Ihr könnt mich jeden Tag nach Wapping begleiten, und wir werden im Kontor ein wenig Platz für Euch schaffen. Seid Ihr ein sehr organisierter Mensch?«
»Schrecklich, ja.«
»Ausgezeichnet. Ich habe einen großen Lagerraum voll mit Listen und Ladungsverzeichnissen aus Bridgetown, die geordnet und archiviert werden müssen. Darüber hinaus werde ich Euch nicht benötigen, Mr. Kemble, besonders nicht hier im Haus, wo ich meinen Bruder habe, um ... um auf mich aufzupassen – was übrigens ein äußerst dummer Gedanke ist. Und ganz gewiss werde ich nicht diese Pistole an meinem Bein tragen.«
»Aber das solltet Ihr, meine Liebe. Eine Lady sollte niemals unbewaffnet durch Temple Bar gehen. Besonders eine Lady aus Eurem Metier in Anbetracht der Aufgabe, die Ihr übernommen habt. Lord Nash gilt als ein Mann mit sehr gefährlichem Ruf.«
»Oh, dessen bin ich mir sehr bewusst«, murmelte Xanthia. »Aber ganz und gar nicht sicher bin ich mir, dass er ein Verräter ist.«
»Das Home Office ist sich sicher, dass er einer ist«, sagte Kemble. »Man will ihn hinter Gittern sehen.«
»Ohne zuerst die Wahrheit herauszufinden?«, fragte Xanthia. »Warum fange ich nur an zu glauben, dass Ihr vom Home Office Lord Nash bereits verurteilt habt? Ich bin glücklich, helfen zu können, Mr. Kemble, wenn das im Interesse meines Unternehmens liegt, aber ich werde nicht Teil einer Verhöhnung der Justiz sein – egal, was für einen Preis man mir zahlt. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Sehr klar.« Kemble wirkte ein wenig zerknirscht. »Und vielleicht habt Ihr ja sogar recht.«
»Ich denke, das habe ich«, entgegnete sie. »Aber falls ich mich irre – falls Nash hinter dem Waffenschmuggel steckt -, dann werden wir es schon bald wissen.«
Mr. Kemble lächelte und faltete sorgsam seine Hände. »Doch bis dahin habt Ihr auf jeden Fall immer die Pistole dabei, meine Liebe«, drängte er. »Schließlich kann eine Lady nie zu viel Silberschmuck tragen.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Und was ist, wenn Lord Nash sie zufällig entdeckt?«, murmelte Xanthia. »Zufälle passieren.«
Mr. Kemble grinste schalkhaft. »Dann besser in Eurem Retikül?«, schlug er vor. »Allerdings werdet Ihr ein recht großes brauchen.«
»Das ist tatsächlich eine praktikablere Lösung.« Xanthia schürzte die Lippen. »Sehr gut. Das werde ich tun.«
Mr. Kemble spreizte seine Finger und lächelte triumphierend.
Nach dem Debakel, das ihm bei Lady Henslows Picknick widerfahren war, ging Lord Nash mit der Absicht nach Hause, zu Abend zu essen und dort zu bleiben, um ungestört seine Wunden oder die Krallenmale zu lecken – oder was auch immer es war, was Miss Xanthia Neville ihm zugefügt hatte. Allein ihre Anwesenheit hatte ein abscheuliches Mal hinterlassen, an dem er sich nicht kratzen konnte, eine tiefe Frustration, die ebenso ärgerlich wie fremd für ihn war.
Er hatte Tony zum Abendessen erwartet, doch sein Bruder tauchte nicht auf. Also aß er allein, kaute schweigend auf seiner Frustration herum und spülte sie mit einer Flasche ungarischen bikavér herunter -Stierblut, ein Wein, der kräftig genug war, um ihn unter normalen Umständen alle Probleme vergessen zu lassen.
Doch diesmal verfehlte er seine Wirkung. Wie ein Geist wanderte Nash durch das Haus. Stöberte die Regale der Bibliothek durch. Spielte Vingt-et-un , bis ihm die Augen schmerzten. Schon bald trieb ihn seine Unruhe wieder auf die dunklen Straßen, und er fand sich auf halbem Wege zum Berkeley Square wieder, ehe ihm bewusst wurde, was er im Begriff war zu tun. Mitten auf dem Bürgersteig blieb er abrupt stehen, sein Paletot wehte ihm im bleiernen Nachtnebel um die Beine.
Was würde es ihm nützen, dorthin zu gehen? Was wollte er tun, wenn er dort angekommen war? Auf der Straße stehen und zu den Fenstern dieser Frau hinaufstarren wie ein liebestrunkener Wahnsinniger?
Nein. Nein, der Preis dafür war zu hoch. Er würde stattdessen auf das zurückgreifen, für das er bereits bezahlt hatte. Und er war nicht liebestrunken; er war nur ... zum Verrücktwerden fasziniert. Ja, das war die richtige Beschreibung. Nachdem Nash dies beschlossen hatte, schlug er die Richtung nach
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