Entflammt von deiner Liebe: Roman (German Edition)
dass er über ihr Angebot nachgedacht hatte. Er hatte ihr Gesicht genauestens betrachtet, hatte ihren Charakter zu ergründen versucht und sich immer wieder gefragt, ob er es wagen sollte, ihr Angebot anzunehmen.
Falls irgendetwas Schändlicheres als diese Frage Lord Nash durch den Sinn gegangen sein sollte, dann war Xanthia nicht die Menschenkennerin, für die sie sich hielt – und sie hatte das halbe Vermögen ihrer Familie aufs Spiel gesetzt und darauf gesetzt, genau das zu sein. Aber würde de Vendenheim ihr das glauben?
Nein. Das würde er natürlich nicht, und er konnte es sich auch kaum leisten. Das Home Office hatte zu viel zu verlieren, und dieser Umstand ließ nur eine Möglichkeit offen: Xanthia musste den Beweis für Nashs Unschuld erbringen. Wenn sie es für möglich gehalten hatten, Beweise für seine Schuld zu finden, warum sollte dann nicht auch das Gegenteil möglich sein? Oder war sie nichts als eine Närrin? Hatte sie seinen Lippen, seinen Berührungen und seinen geflüsterten Worten erlaubt, sie um den Verstand zu bringen?
Himmel, aber so war es doch nicht, oder? Xanthia ließ sich gegen die gepolsterte Bank von Kierans Kutsche sinken. Plötzlich schien alles zu viel zu sein. Sie fühlte sich erschöpft. Sie musste ein Unternehmen leiten; sie hatte keine Zeit, ihr Leben zu leben. Und ganz sicher hatte sie keine Zeit für de Vendenheims Intrigen. Und heute musste sie nicht nur zur Kostümanprobe, nein, es war schon wieder Mittwoch – und das bedeutete, dass sie und Kieran Lady Louisa zu Almack’s begleiten mussten.
Während sie die Männer im Allgemeinen und Nash im Besonderen verfluchte und darum betete, Almack’s möge auf der Stelle von einem Blitz getroffen werden, schloss Xanthia die Augen und ließ zu, dass ihre Müdigkeit, ihre Sorgen und der Rhythmus der schaukelnden Kutsche sie in einen unruhigen Schlaf fallen ließen.
Kapitel 7
Ein Aufeinandertreffen in der Park Lane
S wann hat einen Brief geschickt, Mylord.« Gibbons stand am Fenster von Nashs Schlafzimmer und bürstete den Gehrock aus, den sein Herr am Vorabend getragen hatte – genauer gesagt klopfte er ihn aus. »Ich fürchte, es gibt keine guten Neuigkeiten.«
Noch im Morgenrock und Pantoffeln schaute Nash von seiner Zeitung auf. »Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Es geht um seine Mutter«, sagte Gibbons und schüttelte den Gehrock heftig am offenen Fenster aus.
»Ich weiß von seiner Mutter«, brummelte Nash. »Großer Gott, Mann – was tut Ihr da mit meinem Rock?«
Als Gibbons sich aufrichtete, stieß er sich den Kopf am Fensterrahmen. »Ich unternehme einen vergeblichen Versuch, den Geruch nach Tabakrauch und billigem Eau de Toilette herauszubekommen«, sagte er über die Schulter. »Er riecht in höchstem Maße. Wo wart Ihr gestern Abend nur, in Gottes Namen?«
Nash stieß einen empörten Seufzer aus. »Ich habe mit Struthers in irgendeinem Höllenloch in Soho Macao gespielt«, erwiderte er und wandte sich wieder seiner Zeitung zu. »Und jetzt hört endlich auf, mit meinem Gehrock zum Hyde Park hinüberzuwinken, bevor Ihr noch ein Pferd damit erschreckt.«
»Mylord, der Rock stinkt .«
»Dann bringt ihn nach unten in die Speisekammer.«
Gibbons warf ihm einen gereizten Blick zu. »Das kann ich nicht«, sagte er. »Agnes leidet unter Asthma. Wenn ich den Rock mit nach unten nehme, wird sie eine ganze Woche lang schnaufen.«
Ärgerlich legte Nash die Zeitung zur Seite. »Wie lange bürstet Ihr jetzt schon meine Kleider in meinem Schlafzimmer aus, Gibbons?«, beklagte er sich. »Und wann genau sind meine Dienstboten zu meinen Herren und ich zu deren Sklave mutiert?«
Gibbons brachte den Gehrock zurück ins Zimmer. »Nun, Mylord«, entgegnete er. »Wenn Euch die arme Agnes egal ist, dann werde ich den Rock sofort hinunterbringen.«
»Um Gottes willen!« Nash hob abwehrend die Hand. »Sie ist mir nicht egal. Ihr wisst, dass es das nicht ist, was mich aufregt. Ich bin nur ... ein wenig außer mir.«
Gibbons sah übermäßig selbstzufrieden aus. »Das weiß ich, Mylord«, entgegnete er, jetzt beflissener als zuvor. »Das haben wir alle bemerkt.«
»Natürlich, und habt auch endlos darüber getratscht, nehme ich an«, knurrte Nash, während er nach seiner Zeitung griff und die Seiten glatt strich. »Was wolltet Ihr eben noch sagen?«
»Sie ist gestorben«, sagte Gibbons.
Nash fühlte einen weiteren Ausbruch von Ungeduld nahen. »Wer ist gestorben?«
»Swanns Mutter.« Gibbons runzelte tadelnd die Stirn.
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