Entflammt
dann wurde er plötzlich wieder leicht und ich konnte die Hand mühelos anheben.
Auf meiner Handfläche glühte der wundervolle Mondstein und sein Shiller funkelte.
Anne sah vollkommen geplättet aus. Ohne ein weiteres Wort erhob sie sich und löste den Zirkel auf. Sie hob die Kerze und die Silberschale auf und stellte beides ins Regal. Dann drehte sie sich wieder zu uns um. Wir standen verlegen da, weil keiner wusste, was er tun sollte. »Wie fühlst du dich?«, fragte sie Rachel.
»Gut«, sagte Rachel verblüfft. »Ich hatte das Gefühl, eine Verbindung zu meinem Stein zu bekommen.«
Anne sah Charles an. »Und du?«
»Ich fühle mich ebenfalls gut«, sagte Charles. »Ich habe eindeutig starke Magie gespürt, aber ich denke nicht, dass sie von Nastasja kam - und für mich fühlte sie sich auch nicht dunkel an.«
Als Nächstes war Reyn an der Reihe, der Anne um anderthalb Köpfe überragte.
»Ich habe kraftvolle Magie gefühlt«, sagte Reyn langsam und ohne mich anzusehen. »Sie fühlte sich alt an. Und stark.Außerdem habe ich Verbindung zu meinem Stein aufgenommen.« Er hielt seinen Blutstein hoch und betrachtete ihn verliebt.
War mein Lied böse gewesen? War ich das? War ich hoffnungslos dunkel und böse? Ich dachte an Boz und Incy und hätte beinahe leidvoll das Gesicht verzogen. Meine Wangen brannten, als die Angst durch meinen Kopf schoss.
Aber dann musste ich wieder daran denken, dass River mich hier willkommen geheißen hatte. Sie hatte gesagt, dass ich lernen könnte, nicht dunkel zu sein. River sagte, ich hätte die Wahl. Dass ich lernen könnte, Tähti zu sein. Mein Kinn hob sich wieder.
»Sie hat meinen Stein zerschmettert!«, fauchte Nell wütend wie eine Katze. Sie streckte die Hand aus, damit alle den pulverisierten Beweis sehen konnten.
»Warum sollte ich das tun?«, fragte ich. »Ich habe meinen eigenen Stein!«
»Er ist aber nicht das, was du wirklich willst«, begann Nell hitzig, unterbrach sich dann aber und biss sich auf die Lippe.
Charles und Rachel starrten uns mittlerweile an, als würden sie eine Seifenoper im Fernsehen anschauen. Was es imGrunde ja auch fast war.
»Reyn, Charles und Rachel«, sagte Anne freundlich, »ihr könnt gehen. Es wird schon spät.«
Die drei verzogen sich, so schnell sie konnten. Nur Reyn warf noch einen Blick über die Schulter.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und hielt meinen Mondstein ganz fest.
Dann sah Anne mich und Nell an. Sie hatte die Hände gefaltet. »Gibt es hier etwas, das ich wissen sollte?«
Und ob - Nell ist das totale Miststück.
Nell sah aus, als wollte sie mit allem herausplatzen, und ich hoffte beinahe, dass sie es tun würde. Doch sie unterdrückte sichtbar mühevoll ihre Gefühle und zwang sich einehalbwegs neutrale und zugleich besorgte Miene ins wütende Gesicht. »Nein - abgesehen davon - ich wollte es eigentlichnicht erwähnen, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass Nastasja eifersüchtig auf mich ist.« Sie lächelte bescheiden. »Und ich dachte, ich hätte dunkle Magie gespürt. Das macht mir Sorgen - ihre Magie ist nicht geschult und damit unvorhersehbar.Und mal ehrlich, was wissen wir über sie? Mein Stein ist in meiner Hand zerstört worden. Ich habe das nicht getan - es war etwas Dunkles. Hast du es nicht gespürt?« Sie schauderte theatralisch und sah sich tatsächlich um, als lauerte der Tod bereits in einer Ecke. Denn genau so etwas war mir zuzutrauen - dass ich den Tod heraufbeschwor, nur um jemanden zu ärgern. Ha, ha, sehr witzig.
Anne sah erst sie an, dann mich.
»Hast du Nells Stein zerstört?«, fragte sie.
Ich starrte sie fassungslos an. »Nein! Die Magie, die ich gespürt habe - sie kam zu mir, durch mich. Ich habe sie nicht von außen genommen, nicht von ihrem Stein. Das Einzige, was ich getan habe, war, meine Kraft zu sammeln und eineVerbindung zu meinem Stein aufzunehmen.«
Anne nickte. »Ist gut. Nell, lass den Steinstaub hier.« Sie hielt ihr ein kleines Tuch hin und Nell ließ den Staub hineinrieseln.»Du kannst jetzt gehen. Nastasja, bleib du bitte noch einen Moment.«
Ach, komm schon, dachte ich. Nell grinste mich gehässig an, was mich stocksauer machte. Als sie verschwand, merkte ich, dass sich ihr Gesicht in einem altmodischen Kerzenhalter an der Wand spiegelte. Er war vor einer polierten Metallplattemontiert, die das Kerzenlicht reflektieren sollte. Das Metall wirkte wie ein Spiegel und in dem Spiegel sah ich, dass Anne Nell
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