Entflammt
hinterließ. Dann warf ich mein ganzes Zeug wieder in den Koffer undklappte ihn zu. Ich würde ihn nach unten schleifen - aber erst, nachdem ich eine Tasse Kaffee abgestaubt hatte.
Ich stellte den Koffer an die Tür, stieg in meine Motorradstiefel und fuhr dabei mit einem Finger über den Absatz.
Vielleicht bildete ich mir das nur ein, aber ich glaubte, die Energie des Amuletts zu spüren. Als könnte es jemand in einer riesigen Bibliothek in einem Buch verstecken, und wenn ich mit den Fingern über die Buchrücken führe, würde ich sofort merken, wo es ist. Klingt verrückt, nicht?
Die Autoschlüssel waren in meiner Tasche; die Karte lag noch im Auto. Ich würde mühelos nach Boston zurückfinden, aber vielleicht gab es auch einen näher gelegenen Flughafen für Pendler oder so. Die Hand schon auf dem Türgriff, zögerte ich. Der Gedanke, nach London zurückzugehen, schwebte wie eine dunkle Wolke über mir. Er erfüllte mich mit Angst. Es war dasselbe Gefühl, das mich veranlasst hatte, Gopala anzulügen und einen Pass zu benutzen, von dem Incy nichts wusste. Wieso? Ich hatte es aus einem Instinkt heraus getan, aber aus welchem Instinkt? Incy hatte mir nie etwas getan. Mich geärgert? Ja. Zur Weißglut gebracht? Schon oft. Aber mir wehgetan? Mir Angst gemacht? Noch nie.
Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte, was ich tat oder wieso. Und dieses Gefühl war mir irgendwie vertraut, aber auf eine ganz andere Weise. Ich atmete aus und öffnete die Tür. Wenn ich am Flughafen war, würde ich entscheiden, wohin ich wollte. Aber zuerst kam der Kaffee, dieses lebensspendende Gesöff, das mir die Augenlider aufklappen und meine Gehirnzellen in Schwung bringen würde. Oh, Gott, bitte. lass es hier Kaffee geben, richtigen echten Kaffee.
Im Esszimmer war keiner und so wanderte ich in die Küche, .meine Nase zuckte schon erwartungsvoll. Langsam drückte ich die schwere Tür auf und nach dem stillen grauen Esszimmer trafen mich die Wärme und das geschäftige Treiben in der Küche total unerwartet. Das Licht brannte, die Leute redeten und lachten und die Luft war voller Gerüche. »Nastasja! «
Mein Kopf fuhr herum. River lächelte mich an.
»Ich Wollte mir nur einen Kaffee holen«, sagte ich.
»Das Frühstück ist noch nicht ganz fertig«, erklärte River. »Ich frühstücke nie «, sagte ich. »Aber Kaffee-«
»Komm her«, befahl River und merkwürdigerweise gehorchten ihr meine Füße. »Lass mich deine Hände sehen.«
Fingernagelkontrolle? Ich streckte sie aus, erleichtert, dass sie nach meinem ausgedehnten Bad am Vorabend sauber waren. Würde sie mir aus der Hand lesen? Irgendwie war es das, womit ich rechnete.
»Du hast unglaubliche Hände«, stellte River fest und es hörte sich erfreut an. »Stark, Hier, mach das mal.«
»Häh?«
River schob mir die Ärmel über die Ellbogen. Ich zuckte zusammen, als sie meinen Wollschal nahm und ihn mir über die Schulter warf. Dann packte sie meine Hände und rammte sie in einen Haufen warmen Teig, der auf der Arbeitsplatte lag wie eine dicke fette Larve.
»Äh ... « Ich war wie erstarrt, als steckten meine Hände für immer in diesem Teigklumpen.
Rivers Augen, ein klares Braun in der Farbe von gegerbtem Leder, sahen tief in meine. »Ich weiß, dass du Brotteig kneten kannst.« Ihre Stimme war sanft. Ich wurde rot; natürlich bezog sie sich darauf, dass viele von uns geboren worden waren, bevor es Brotfabriken gab. Viele Unsterbliche (zumindest die Frauen) hatten vermutlich schon Tausende Brote gebacken - es sei denn, sie waren reich geboren worden und hatten es geschafft, ihr ganzes Leben reich zu bleiben.
Ich war reich geboren worden, aber schon mit zehn war ich arm wie eine Kirchenmaus gewesen. Jahrzehntelang hatte ich auf Farmen gelebt, bis mir aufging, dass mir Städte lieber waren.
Ich wusste, wie man Teig knetete.
»Es ist eine Weile her«, sagte ich und rührte mich immer noch nicht. So ungefähr ein paar Hundert Jahre.
»Ja.« Rivers Stimme wurde noch sanfter. »Ja. Aber man vergisst nie, wie es geht.« Sie legte ihre Hände auf meine und schob sie zusammen. Gemeinsam drückten wir den Teig von uns weg, rafften die Seiten zusammen und schoben wieder. Auf der anderen Seite der Küche begann jemand - Charles, mit den knallroten Haaren? - in einer Eisenpfanne Speck zu braten. Das schwarze Mädchen - vielleicht Brynne? - holte ein paar Brotbackformen aus dem Herd, drehte sie auf einem sauberen
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