Entflammt
seifte ihn ein und schrubbte mich damit ab. Es fühlte sich an, als würde ich die oberste Schicht meiner Haut abscheuern. Überall, wo ich schrubbte, fühlte sie sich danach ganz zart und kribbelig an. Plötzlich war ich merkwürdig klar im Kopf, atmete frei und sah dem Wasser zu, wie es durch den Abfluss wirbelte. Ich fühlte mich sauber und glatthäutig und lebendig.
Bekloppt, was? .
Zum Glück fand ich in mein Zimmer zurück, ohne jemandem zu begegnen. Dort stellte ich fest, dass irgendwer mein Bett aufgeschlagen und mir eine Tasse heißen Tee auf den Nachttisch gestellt hatte.
»Keine Schokolade auf dem Kissen?«, murmelte ich und wühlte in meinem Koffer. Ich hatte keine Schlafsachen eingepackt, aber ich fand ein altes T-Shirt, das seinen Zweck erfüllte. Da ich auch keinen Kamm finden konnte, fuhr ich mir mit den Fingern durch die kurzen schwarzen Haare und entwirrte sie, so gut es ging. Dann wickelte ich mir meinen Wollschal um den Hals, stieg ins Bett und schnupperte am Tee. Er roch nach Kräutern, welche Überraschung. Diese Leute waren die totalen Kräuterfreaks. Kräuter, wohin man sah.
Der Tee schmeckte ein bisschen minzig und nach einem Hauch Lakritz. Das Zimmer war kühl, meine Haare immer noch nass und der Tee wohltuend warm. Ich schaltete das Licht aus, kuschelte mich unter die Daunendecke und fühlte mich erstaunlich behaglich. Das Bett war winzig und hart, aber ich hatte schon in Schiffskojen geschlafen, auf Auto-Rücksitzen und in einer Million Eisenbahnabteilen, also war das kein Problem. Es nervte mich zwar, dass sich die Tür nicht abschließen ließ, aber bevor ich mir darüber Sorgenmachen konnte, war ich schon eingeschlafen.
***
Ich kann nicht besonders gut einschlafen. Oft lässt sich mein Gehirn nicht richtig abschalten. Plötzlich fange ich an, darüber nachzudenken, ein Bauernhaus in Frankreich zu renovieren oder wo ein bestimmtes Paar Schuhe ist oder wo ich in dieser Stadt etwas Bestimmtes zu essen kaufen kann. Und wenn ich dann endlich schlafe, träume ich schlecht. Nicht so einen Quatsch, dass ich mit einer Brezel rede oder mich ein Eichhörnchen auslacht. Mein Unterbewusstsein arbeitet sich auch nicht durch allen möglichen Müll. Es sind eher Erinnerungen. Schlechte Erinnerungen. Erinnerungen an Menschen, sterbliche und unsterbliche, die ich gekannt habe und die gestorben sind, an die grässlichen Jahre, die ich erlebt habe (ich war in einem türkischen Gefängnis, in den 1770er-Jahren, das war nicht gerade ein Picknick), an die Pest, die Weltkriege und an Autounfälle und Kutschenunfälle und entgleiste Züge und ... es ist wie eine schwere Lastschlimmer Dinge, und wenn ich abends die Augen zumache, wenn ich so erschöpft bin, dass sie mir zufallen, dann stürmen die Erinnerungen auf mich ein, als bestünden sie darauf, dass ich mir all die Bilder noch einmal ansehe und diesmal gefälligst mehr dabei empfinde.
Normalerweise schütte ich mich so zu, dass ich mich morgens nicht mehr an meine Träume erinnere. Das funktioniert ganz gut, aber die Nebenwirkungen sind der Killer.
***
Als ich am Morgen aufwachte, ließ ich die Augen trotz des rosafarbenen Lichts, das durchs Fenster hereinfiel, fest geschlossen. Ich wollte die Erinnerungen der Nacht nicht sehen.
Ich wartete auf die gewohnte körperliche Übelkeit, überlegte, wie weit es bis ins Bad war und ob es nicht sinnvoller wäre, Wenn ich mich gleich aus dem Fenster übergab.
Aber ... es ging mir gut. Ich klappte ein Auge auf. Der Wecker auf dem Nachttisch stand auf 6:17. Morgens? Wow, das war ... früh. Gestern Abend - ich verzog das Gesicht, aber ich hatte nichts Schlimmeres getan, als mich vor dem Wikinger aufzuführen wie eine Furie. Aufs Große und Ganze gesehen, gar nicht mal so übel. Ich atmete probeweise ein paarmal ein und aus und mir war kein bisschen schlecht. Tatsächlich fühlte ich mich richtig gut. Es kam mir vor, als hätte ich wirklich geschlafen. Langsam setzte ich mich auf und erinnerte mich dar an , dass ich keinen Alkohol getrunken hatte, dass ich nichts anderes zu mir genommen hatte alsdas ödeste Essen, das Mensch oder Tier jemals vor der Nase hatten. Puh. Das Zimmer war kalt, die Heizung fing gerade an, leise zu zischen, und ich wühlte in meinem Koffer nach »sauberen « Sachen, wobei ich diesen Begriff in einem relativen Sinn gebrauche. Hastig zog ich mich an und betrachtete den Hauch, den mein Atem in der kalten Luft
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