Entflammte Herzen
den Ausdruck der Enttäuschung in Emmelines Augen und den Zorn und Kummer in denen seines Bruders Rafe, und er fürchtete sich sogar noch mehr davor, mit ansehen zu müssen, wie John Lewis' Sarg in die kalte Erde hinabgelassen wurde. Aber selbstverständlich stand es für ihn außer Frage, dass er an dem Begräbnis teilnehmen würde. »Das wird kein leichter Tag«, erwiderte er ein bisschen mühsam.
Concepcion legte eine Hand auf seinen Arm und sprach ganz unverblümt mit ihm. »Ich weiß, dass du dich verpflichtet fühlst, deine Aufgabe zu Ende zu bringen, Kade, aber du darfst darüber nicht vergessen, dass diese Ranch hier dein Zuhause ist. Dieser Ort liegt dir im Blut, und ihm fern zu bleiben, ist in etwa so, als würdest du dir selbst das Essen, das Atmen und das Trinken verbieten. Es wird dein Herz verdorren lassen.« Ihre Augen schimmerten vor Liebe und vor Tränen. »Du gehörst hierher, Kade.«
Er war in den letzten Tagen zu demselben Schluss gekommen, doch er konnte sein Abzeichen erst guten Gewissens ablegen, wenn diese Mörder aufgespürt und festgenommen waren und ein neuer Marshal für die Stadt gefunden worden war. Und dann war da auch noch die Sache mit dem Geld. Er nickte unwillkürlich, stellte den letzten Teller in den Schrank und hängte das Geschirrtuch auf. Im Geiste sah er Rafes und Emmelines gemütliches Haus auf der anderen Seite des Bachs vor sich und wünschte, er hätte auch so ein Heim, in das er Mandy heimbringen konnte. In Gedanken schmiedete er bereits Pläne, ein solches Haus zu bauen, und das, wenn nötig, sogar mit seinen eigenen zwei Händen. Er wollte, dass seine Kinder und seine Enkelkinder in ihrem eigenen Haus aufwuchsen.
Er beantwortete Concepcions Frage etwas verspätet, indem er nickte, und warf dann einen Blick durchs Fenster. Es war noch früh, aber der Ritt in die Stadt würde zwei Stunden dauern, und er war nicht gern im Dunkeln unterwegs. »Vielleicht sollte ich jetzt besser aufbrechen«, seufzte er ergeben.
Kapitel 50
E s gab Leute, die es ganz gut verstanden, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, doch zu diesen Leuten hatte Mandy nie gehört. Nachdem sie Becky ins Hotel zurückbegleitet hatte, wo Sarah Fee sich auch schon um Emmeline kümmerte, war sie sofort zu den Sussex' hinübergegangen. Seitdem war sie mit dem Doc bei ihnen und half ihm, wo sie konnte.
Mamie Sussex, die Mutter der Kinder, war nicht in der Verfassung, sie zu unterstützen, und die bestellten Bräute, mit Ausnahme der einen namens Abigail, waren mit Sack und Pack aus der Pension geflohen, weil sie wohl Angst hatten, sich anzustecken. Und da sie bei Mandys und Beckys Heimkehr auch nicht im Hotel gewesen waren, konnte Mandy nur vermuten, dass sie entweder in verschiedenen Häusern in der Stadt aufgenommen worden oder aber in den Gemischtwarenladen gegangen waren, um dort, auf ihren Koffern und Truhen sitzend, auf die nächste Postkutsche zu warten.
Mandy war jedoch viel zu beschäftigt, um sich dafür zu interessieren, was sie taten, solange nur Kade mit ihrem Treiben nichts zu schaffen hatte. Wie der Arzt hatte auch sie die ganze Nacht kein Auge zugetan und hielt sich nur noch aus purer Sturheit auf den Beinen.
Die Sussex-Kinder waren sechs Geschwister, die alle das dichte, rötlich braune Haar ihrer Mutter hatten, doch abgesehen davon so völlig unterschiedlich aussahen, dass nicht einmal nur zwei denselben Vater haben konnten. Fünf der Kinder hatten bereits bei Mandys Ankunft mit hohem Fieber dagelegen, frierend, schwitzend und mit wild verdrehten Augen.
»Es hat schon mehr als genug Tote in letzter Zeit gegeben«, hatte Mandy irgendwann während der Nacht in ihrer Verzweiflung laut zu Gott gesagt. »Da könntest du zumindest diese Kinder leben lassen!«
Und da hatte Doc Boylen, der neben einem anderen Kind gekniet und ihm die Stirn gekühlt hatte, um seine Temperatur zu senken, zum ersten Mal in dieser langen Nacht gelächelt. »Geben Sie ihm da oben ruhig tüchtig Bescheid«, hatte er erwidert.
Abigail, die mit einem anderen Kind beschäftigt war, hatte zwar zuerst die Lippen geschürzt, aber schließlich doch genickt. »Amen«, hatte sie in feierlichem Ton hinzugefügt.
Die Stunden zogen sich dahin, während der Allmächtige seine Entscheidung traf. Die nächtliche Dunkelheit ging in helles Tageslicht über, und irgendwann fiel wieder die Abenddämmerung über Indian Rock herein. Die Diphtherie war eine schnelle, grausame und tödliche Krankheit, und Mandy hatte
Weitere Kostenlose Bücher