Entflammte Herzen
Fenster, wie die zukünftigen Bräute ihre jeweiligen Bestellungen für Mehl, frische Butter und Obst aufgaben. Letzteres würde in einem Ort wie Indian Bock schwer aufzutreiben sein. Ein Teil von ihr registrierte mit Belustigung die albernen Bemühungen dieser Frauen, Kade McKettrick zu gefallen, aber ein anderer Teil, zu dem sie sich nicht so leicht bekennen konnte, wünschte sich nichts sehnlicher, als jede einzelne dieser Frauen im Backen, Kochen, Auftreten und Aussehen zu übertreffen.
Schließlich zwang sie sich, den Blick auf die in dem nicht sehr sauberen Schaufenster ausgestellten Waren zu richten. Da waren eine farbenfrohe Pyramide aus Konservendosen, ein Korb voller wilder Haselnüsse, die wahrscheinlicher voller Würmer waren ... und ein himmelblaues Kleid mit einem zarten weißen Blumenmuster und einem dezenten Spitzenbesatz an Kragen und Manschetten.
Mandy wollte dieses Kleid plötzlich besitzen, wünschte es sich mit einem Mal so heftig und mit einer solchen Gier, wie sie sich noch nie in ihrem Leben irgendetwas anderes gewünscht hatte. In Gedanken sah sie sich die grässliche Nonnentracht schon ablegen und in dieses kühle, zauberhafte Kleid schlüpfen, glaubte sich zu sehen, wie sie ihr Haar bürstete und endlich wieder wie eine Frau ausschaute, statt wie einer dieser Pinguine ganz unten im Süden, wo die Berge aus Eis waren und der Boden immerzu gefroren war. Neugierig beugte sie sich ein wenig vor, um nach dem Preis zu sehen.
Einen Dollar fünfundzwanzig kostete das Kleid. Ein Vermögen. Mandy seufzte und zwang sich, woanders hinzusehen, nur
um gleich darauf noch etwas anderes zu entdecken, das sie sich sogar noch sehnlicher wünschte als dieses wunderschöne Kleid. Eine brandneue doppelläufige Flinte mit einem glänzenden hölzernen Schaft mit Einlegearbeiten aus Elfenbein und Silber. Gott, sie war das Schönste, was sie je gesehen hatte, diese Waffe! Mandy kniff die Augen zusammen, um das kleine Schild, das daneben stand, zu lesen.
GEWINNEN SIE DIESE FABELHAFTE SCHUSSWAFFE!
FÜNF CENT DAS LOS.
Mandy griff in die Tasche ihres Habits und zog vier Fünfcentstücke heraus. Sie hatte in den letzten Monaten bei Becky Fairmont im Hotel etwas Geld verdient, das meiste davon hatte sie aber schon mit der Post verschickt, einen Teil davon an Schwester Mary Marguerite, um sie für den Diebstahl ihres Habits zu entschädigen, und einen Teil an eine Pensionswirtin in der Nähe von Tucson, die sehr gut zu Mandy und ihrer Mutter gewesen war, als sie Mühe gehabt hatten, die Miete zu bezahlen. Den R est des Geldes hatte sie für Groschenromane ausgegeben.
In Gedanken rief sie sich zur Ordnung. Was trödelte sie hier auf der Straße herum und träumte von fabelhaften Schusswaffen und hübschen Kleidern, statt zu Emmeline zurückzugehen und auf der Hut zu sein, dass Gig Curry sie nicht schon wieder überraschte! Und wenn sie überhaupt was kaufte, dann ein Pferd, damit sie weiterziehen konnte.
Bislang hatte sie Glück gehabt, doch die Zeit verstrich, und wenn Amanda Bose Sperrin in ihrem Leben eins gelernt hatte, dann war es, dass das Glück launenhafter sein konnte als eine verwöhnte Frau. Wenn sie blieb, gefährdete sie die ganze Stadt. Andererseits, falls Gig sie je erwischte, was sehr wahrscheinlich war, wenn sie allein die Stadt verließ, würde sie wünschen, tot zu sein. Doch selbst das war immer noch besser, als von einer Bande abtrünniger Apachen verschleppt und als eine ihrer Squaws von Kopf bis Fuß mit Tätowierungen bedeckt zu werden.
Geh weg, ermahnte sie sich streng. Weg von diesem Schaufenster und diesen unsinnigen Träumen. Vergiss Kade und die merkwürdigen, aber auch köstlichen Empfindungen, die er in dir weckt, bevor er deinetwegen noch ums Leben kommt...
»Gefällt Ihnen das Kleid?«, ertönte plötzlich Kades tiefe Stimme neben ihr und ließ sie vor Schreck fast aus ihren kratzigen wollenen Socken fahren. So viel dazu, auf der Hut zu sein und sich nicht überraschen zu lassen!
»Es ist ganz nett«, gab sie zu und fühlte einen jähen Schmerz in sich erwachen, der sich immer weiter ausbreitete, bis sie das Gefühl hatte, sie müsse zerspringen von dem Druck. Sie wollte mehr als nur ein hübsches Kleid, erkannte sie plötzlich mit beängstigender Klarheit. Und sie wollte auch die Art von Frau sein, die ein Kleid wie dieses tragen konnte, was wiederum eine völlig andere Sache war. Sie war weder Emmeline McKettrick noch eines dieser albernen Geschöpfe, die den besten
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