Entflammte Herzen
Emmeline im Bett zu halten, war sie schon wieder auf den Beinen und scheinbar fest entschlossen weiterzumachen, egal, was auch geschehen war. Außerdem war sie zweifellos genauso besorgt um ihren Mann, wie Mandy es um Kade war.
»Du solltest dir wirklich etwas Ruhe gönnen«, tadelte Mandy sie sanft.
»Das kann ich nicht. Ich muss mich so viel bewegen, wie ich kann.«
Mandy drückte Emmelines Hand. »Wie geht es deiner Mutter?« Becky war an diesem Morgen in die Kirche gegangen und in einer noch sehr viel schlechteren Verfassung als zuvor ins Hotel zurückgekehrt.
Emmeline seufzte. »Ich habe ihr etwas von dem Schlafpulver gegeben, das der Doc uns dagelassen hat. Ich weiß allerdings nicht, ob es was nützen wird. Du hältst Ausschau nach Kade, nicht wahr?«
Mandy fragte sich, ob Emmeline wohl wusste, dass sie die Nacht zuvor mit Kade verbracht hatte, beschloss dann aber, dass es keine Bolle spielte, und bemühte sich zu lächeln. »Ja. Dieser Mann bringt mich manchmal furchtbar auf die Palme.«
»Das liegt daran, dass er ein McKettrick ist.«
Mandy legte einen Arm um ihre Freundin und führte sie zu einem nahen Sessel. »Und das soll mich nun beruhigen?«, scherzte sie, als sie sich Emmeline gegenübersetzte. »Wie geht es Rafe?«
Tränen traten in Emmelines Augen, und sie schüttelte bedrückt den Kopf. »Er leidet, doch er ist viel zu stark und zu dickköpfig, um zusammenzubrechen.«
Sie hielt inne und richtete einen besorgten Blick auf Mandy. »Warum hast du eigentlich zugestimmt, Kades Frau zu werden?«
Bevor Mandy eine plausible Antwort darauf einfiel, erschien in der Tür des Speisesaals Becky, die fast wie eine Schlafwandlerin aussah. »Du solltest doch im Bett bleiben, Kleines.«
Emmeline sah ihre Mutter nur schweigend an.
Beckys Augen waren trüb und leer. »Ich muss John sehen«, erklärte sie händeringend.
Ihre Tochter erhob sich und nahm sie in den Arm. »Wir müssen sie gehen lassen, Mama.«
Mandy schämte sich ihrer eigenen Gefühle, als sie Emmeline und Becky so zusammen sah: Es war der pure Neid, was sie in diesem Augenblick empfand. Sogar unter solch tragischen Umständen hätte sie alles dafür gegeben, ihre Mutter in der Nähe zu haben oder zumindest doch noch am Leben zu wissen. Ihre Gedanken wandten sich Gig Curry zu, und sie hätte ihn bedenkenlos erschießen können dafür, dass er sich weigerte, ihr Dixies Aufenthaltsort zu verraten.
»Erklär mir, wie du das machst, Emmeline«, erwiderte Becky verdrossen. »Erklär mir, wie ich es anstellen soll, ihn gehen zu lassen, dann werde ich es gern versuchen.«
Emmeline wischte sich mit dem Handrücken eine Träne ab. Sie sah wieder erschöpft, gebrochen und ganz grau im Gesicht aus. Es war einfach zu viel verlangt von einer Frau, am selben Tag ihr Kind und darüber hinaus auch noch einen guten Freund zu verlieren.
Mandy erhob sich rasch. »Ich bringe Emmeline in ihr Zimmer und stecke sie ins Bett«, entschied sie. »Danach gehen wir beide zu Doc Boylen, Becky. Aber du musst mir versprechen, dass du dich gleich wieder hinlegen wirst, wenn wir zurückkommen.«
Becky nickte. »Danke, Mandy.«
Emmeline erhob keinen Widerspruch, sondern ließ sich von Mandy die Treppe hinaufführen und legte sich auch g ehorsam in ihr und Rafes Bett.
»Du bleibst jetzt liegen«, befahl Mandy ihr, nachdem sie sie behutsam zugedeckt hatte.
Emmeline lächelte, schloss die Augen und schlief tatsächlich bald ein.
Mandy und Becky trafen den Doc in seiner kleinen Praxis an, wo er mit einem Stift in der Hand und einem Blatt Papier vor sich an seinem Schreibtisch saß und eifrig schrieb. Als er aufschaute und Becky sah, verzerrte sich sein ohnehin nicht besonders gut aussehendes Gesicht vor Sorge. »Becky«, sagte er, während er sich erhob, und ein leiser Vorwurf klang in seiner Stimme mit. »Sie werden uns noch zusammenbrechen, wenn Sie Ihre Kräfte weiter so erschöpfen. Muss ich Sie daran erinnern, dass Ihr Herz das nicht mehr lange mitmacht?«
»Mein Herz«, entgegnete sie, »ist in tausend Stücke zerbrochen. Sollte ich die einzelnen Teile jemals wiederfinden, werden wir sehen, ob sie sich noch zusammensetzen lassen.«
Der Doc ging zu ihr und nahm ihre Hände in die seinen. Er wirkte heute erstaunlich nüchtern, wie Mandy dankbar registrierte, denn bei dem Doc konnte man nie wissen, in welcher Verfassung man ihn antraf. Sie fragte sich, was für Dämonen er in all dem Whiskey zu ertränken versuchte. »John würde nicht wollen, dass Sie sich so
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