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Entflammte Nacht

Entflammte Nacht

Titel: Entflammte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Carriger
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dort nach ihm und seinem frischgebackenen Schützling zu suchen. Und da Charing Cross Station gleich südlich von Soho lag, marschierte er nach Norden zur Wohnung der Tunstells in all ihrer pastellfarbenen Pracht.
    Für die Mitglieder der übernatürlichen Gesellschaft und für die jüngeren, mondäneren Sterblichen – Phaeton-Fahrer und dergleichen – mochte Mitternacht eine durchaus akzeptable Uhrzeit für einen Besuch sein, doch sicherlich traf dies nicht auf die Morgendämmerung zu. Tatsächlich könnte man die sogar als die unhöflichste Zeit betrachten, irgendjemanden zu besuchen, mit Ausnahme vielleicht einiger wind- und wettergegerbter Fischer im hintersten Hafenviertel von Portsmouth.
    Doch Lyall war der Meinung, ihm bliebe keine Wahl. Wie auch immer, er musste gut fünf Minuten an die Tür hämmern, bis diese von einem verschlafen dreinblickenden Dienstmädchen vorsichtig einen Spalt geöffnet wurde. »Ja, bitte?«
    Hinter dem Mädchen sah Lyall jemanden den Kopf aus einem Schlafzimmer weit hinten am Ende des Korridors herausstrecken – es war die gute Mrs. Tunstell mit einer Schlafhaube, die wie ein aufgeplusterter, mit Spitze übersäter Champignon aussah. »Was ist passiert? Brennt es? Ist jemand gestorben?«
    Professor Lyall, der immer noch Biffy in Wolfsgestalt auf den Armen trug, drängte sich an dem verblüfften Mädchen vorbei und trat ein. »So könnte man es ausdrücken, Mrs. Tunstell.«
    »Du meine Güte, Professor Lyall! Was haben Sie denn da?« Der Kopf verschwand. »Tunny! Tunny! Wach auf! Professor Lyall ist hier und hat einen toten Hund bei sich. Steh sofort auf, Tunny!« Eingehüllt in einen voluminösen Satin-Morgenmantel in so grellem Pink, dass es einem die Augen versengte, eilte sie durch den Korridor. »Oh, das arme Hündchen! Bringen Sie ihn hier herein!«
    »Bitte verzeihen Sie mein unangemeldetes Eindringen, Mrs. Tunstell, aber Ihr Haus lag am nächsten.« Er legte Biffy auf das kleine lavendelfarbene Sofa und zog schnell die Vorhänge zu, gerade, als die ersten Sonnenstrahlen über die Dächer der angrenzenden Häuser spähten. Biffys reglose Gestalt versteifte sich plötzlich, begann dann krampfartig zu zucken.
    Jegliche Schicklichkeit in den Wind schlagend eilte Professor Lyall auf Ivy zu, legte ihr einen Arm fest um die Taille und schob sie zur Tür. »Besser, wenn Sie das nicht mitansehen, Mrs. Tunstell. Schicken Sie doch bitte Ihren Gatten herein, sobald er wach ist, ja?«
    Wie ein beleidigter Pudel klappte Ivy den Mund ein paar Mal auf und zu und wirbelte dann herum, um zu tun, wie er ihr geheißen hatte.
    »Tunny!«, rief sie, während sie den Gang entlangtrabte. Und dann, mit weitaus mehr Schärfe: »Ormond Tunstell, wach auf! Auf der Stelle!«
    Professor Lyall schloss die Tür und wandte sich wieder seinem Schützling zu. Gerade wollte er eines seiner treuen Taschentücher aus der Westentasche holen, als ihm wieder einfiel, dass er nichts als den Mantel trug, den er sich am Ufer schnell übergeworfen hatte. Schließlich war er passend für eine Verwandlung und nicht für Gesellschaft gekleidet gewesen. Kurz zuckte er angesichts seiner eigenen Kühnheit zusammen, dann ergriff er eines von Ivys pastellfarbenen Zierkissen und zwängte dem frischgebackenen Werwolf einen Zipfel davon in den Mund, damit Biffy etwas zum Draufbeißen hatte und sein Winseln gedämpft wurde. Danach beugte sich Lyall vor, nahm den zitternden Körper des Wolfs in die Arme und rollte sich sanft um ihn zusammen. Es geschah zum Teil aus dem Beta-Instinkt heraus, ein neues Mitglied des Rudels zu schützen, zum anderen Teil aber auch aus Mitgefühl. Das erste Mal war immer am schlimmsten, nicht weil es im Laufe der Zeit besser wurde, sondern weil es eine so unbekannte Erfahrung war.
    Tunstell schlüpfte ins Zimmer. »Heiliger Strohsack, Professor! Was ist denn hier los?«
    »Da wäre im Augenblick zu viel zu erklären, fürchte ich. Kann das bis später warten? Ich habe es hier mit einem frischen Welpen zu tun, und es ist kein Alpha da, der sich um ihn kümmert. Haben Sie rohes Fleisch im Haus?«
    »Meine Frau hat Steaks bestellt, wurden gestern erst geliefert.« Tunstell verschwand, ohne sich lange bitten zu lassen.
    Professor Lyall musste lächeln. Der Rotschopf fiel mühelos in seine alte Rolle als Claviger zurück und tat, was für die Werwölfe um ihn herum getan werden musste.
    Biffys schokoladenbraunes Fell zog sich nach und nach bis auf seinen Kopf zurück und enthüllte darunter die nun

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