Entflammte Nacht
eher zum Zerstören als zum Erschaffen neigte. Außerdem konnten Außernatürliche allen Berichten zufolge nicht wirklich etwas erfinden. Es mangelte ihnen an der nötigen Seele und Vorstellungskraft.
»O nein, nein!« Gedankenverloren strich sich Monsieur Trouve mit zwei Fingern durch den Bart. »Eher ein ungewöhnlicher Kunde. Er hatte stets die eigenartigsten Wünsche. Ich erinnere mich, dass mein Onkel einmal davon sprach, wie er tatsächlich nach einem …« Der Uhrmacher warf einen Blick zur Tür und bemerkte anscheinend etwas, das ihn innehalten ließ. »Ach ja, nicht so wichtig.«
Alexia folgte seinem Blick, um zu sehen, was diesen geselligen Kerl dazu bewogen haben könnte, sich zu unterbrechen. Doch da war nichts, nur Floote, teilnahmslos wie immer, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
In einer stummen Bitte sah Alexia zu Madame Lefoux hinüber, aber die Französin war ihr keine Hilfe. Stattdessen entzog sie sich der Unterhaltung unter einem Vorwand. »Cousin, vielleicht könnte ich Cansuse suchen, wegen etwas Tee?«
»Tee?« Monsieu Trouve sah sie verdutzt an. »Nun ja, wenn es unbedingt sein muss. Es scheint mir, dass du schon zu lange in England lebst, meine liebste Genevieve. Ich würde meinen, dass eine Gelegenheit wie diese nach Wein verlangt. Oder vielleicht Cognac.« Er wandte sich an Alexia. »Soll ich den Cognac holen? Sie sehen aus, als könnten Sie einen Schluck vertragen, meine Liebe.«
»O nein, vielen Dank. Tee wäre perfekt.« Alexia hielt Tee tatsächlich für eine ausgezeichnete Idee. Ihre List mit der angeblichen Zugabreise hatte über eine Stunde in Anspruch genommen, und obgleich sie wusste, dass es das wert gewesen war, protestierte ihr Magen wie aus Prinzip. Nahrungsaufnahme auf die eine oder andere Weise war schon seit Beginn des ungeborenen Ungemachs zu einer immer notwendigeren Angelegenheit geworden. Immer schon hatte Essen eine größere Rolle in ihrem Leben gespielt, als gut für ihre Linie war, aber in letzter Zeit wurde ein noch viel größerer Teil ihrer Aufmerksamkeit davon in Beschlag genommen, wo es etwas zu essen gab, wie schnell sie es bekommen konnte und – was eine weitaus beschämendere Angelegenheit war – ob sie es bei sich behalten konnte oder nicht. Noch etwas, wofür sie Conall die Schuld geben konnte. Wer hätte gedacht, dass irgendetwas meine Essgewohnheiten beeinträchtigen könnte?
Madame Lefoux veschwand aus dem Zimmer. Es folgte unangenehmes Schweigen, während der Uhrmacher Alexia weiterhin unverwandt anstarrte.
»Also«, begann Alexia zögerlich. »Über welche Seite der Familie sind Sie mit Genevieve verwandt?«
»Oh, wir sind nicht wirklich miteinander verwandt. Sie und ich gingen miteinander auf dieselbe Schule, die Ecole des Arts et Metiers. Haben Sie von ihr gehört? Selbstverständlich haben Sie das. Natürlich war sie zu diesem Zeitpunkt ein Er. Sie hat es schon immer vorgezogen, den Mann zu spielen, unsere Genevieve.« Es folgte eine kurze Pause, in der sich buschige Augenbrauen nachdenklich zusammenzogen. »Ach, das ist es, was anders ist! Sie trägt wieder diesen lächerlichen falschen Schnurrbart. Es ist schon ziemlich lange her. Sie müssen inkognito unterwegs sein. Wie spaßig!«
Alexia war sich nicht sicher, ob sie diesem freundlichen Mann erzählen sollte, dass ihnen Gefahr der vampirischen Art auf den Fersen war.
»Machen Sie sich keine Sorgen, ich würde es niemals wagen, neugierig zu sein. Unabhängig davon habe ich Genevieve alles beigebracht, was sie über Uhrwerksmechanik weiß. Und Bartpflege, wenn ich so darüber nachdenke. Und noch ein paar andere Dinge von Bedeutung.«
Alexia konnte ihm nicht ganz folgen. Doch Madame Lefoux’ Rückkehr erlöste sie davon, die Unterhaltung fortzusetzen.
»Wo ist denn deine Frau?«, wollte die Französin von ihrem Gastgeber wissen.
»Ach ja, Hortense ist letztes Jahr ein wenig … nun ja, gestorben.«
»Oh.« Madame Lefoux wirkte angesichts dieser Neuigkeit nicht besonders bestürzt, sondern nur überrascht. »Das tut mir leid.«
Der Uhrmacher zuckte lapidar mit den Schultern. »Hortense war nie jemand, der viel Aufhebens um sich machte. Sie bekam eine kleine Erkältung unten an der Riviera, und ehe ich mich versah, hatte sie einfach aufgegeben und war verschieden.«
Alexia war nicht sicher, was sie von einer so gleichgültigen Einstellung halten sollte.
»Sie war eine ziemliche Rübe, meine Frau.«
Alexia entschied, über seinen Mangel an Gefühl verhalten amüsiert
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