Entflammte Nacht
durch die Eingangstür ins Freie traten, wo eine aufgeregte Menge aus Clavigern und Woolsey-Bediensteten bereits in der kalten Abendluft wartete.
Professor Lyall witterte den Einzelgänger, noch bevor er ihn sah. Sein Geruch war weder der des Woolsey-Rudels noch der irgendeiner seiner entfernten Verbindungen. Die Blutlinie war fremd, was Lyalls Nase zucken ließ.
Er trat vor, um den Herausforderer zu begrüßen. »Mr. Ulf? Guten Tag.«
Der Werwolf musterte Lyall argwöhnisch. »Lord Maccon?«
»Professor Lyall«, stellte sich Professor Lyall vor. Und dann, um diesem Emporkömmling die Sache völlig klarzumachen: »Und das hier ist mein Sekundant, Lieutenant Bluebutton.«
Der Einzelgänger gab sich brüskiert, doch Lyall konnte an seinem Geruch erkennen, dass das nur Gehabe war. Er war weder empört darüber, noch machte es ihn nervös, dass ihm Lyall anstelle von Lord Maccon entgegentrat. Er hatte gar nicht erwartet, dass sich der Earl der Herausforderung stellen würde. Er hatte die Gerüchte gehört.
Professor Lyalls Oberlippe verzog sich angewidert. Er verabscheute Anwälte.
»Wird der Alpha meine Herausforderung denn nicht einmal anerkennen?« Mr. Ulfs Frage war gerissen. »Ich kenne Sie natürlich dem Namen nach, Professor, aber warum tritt Lord Maccon mir nicht selbst entgegen?«
Professor Lyall würdigte das keiner Antwort. »Sollen wir zur Tat schreiten?«
Er führte den Herausforderer zur Rückseite des Herrensitzes auf die breite steinerne Veranda, wo das Rudel die meisten seiner Übungskämpfe austrug. Weit verstreut auf dem weitläufigen und sanft abfallenden Grün von Woolseys gepflegtem Rasen waren unzählige weiße Canvas-Zelte aus dem Boden gesprossen und leuchteten deutlich sichtbar im Schein des beinahe vollen Mondes.
Normalerweise kampierte das Regiment auf der Rasenfläche vor dem Herrenhaus, doch Alexia hatte wegen ihrer Anwesenheit regelrechte Zustände bekommen und darauf bestanden, dass sie die Zeltstadt nach hinten verlagerten. Es war vorgesehen, dass das Regiment in etwa einer Woche zu seinem Winterquartieren aufbrach, denn der Aufenthalt auf Woolsey hatte einzig und allein dazu gedient, die Einheit mit dem Rudel zu stärken, und nachdem das geschehen war, waren so ziemlich alle bereit weiterzuziehen.
Der Rest des Woolsey-Rudels spazierte hinter den drei Männern her, gefolgt von einer Handvoll Clavigern. Rafe und Phelan sahen ziemlich zottelig aus. Lyall vermutete, dass er in Kürze darauf bestehen musste, dass sich die beiden im Kerker einschließen ließen, bevor sie von der Raserei des Vollmonds erfasst wurden.
Neugierig verließen ein paar der Offiziere ihre abendlichen Lagerfeuer, schnappten sich Laternen und kamen herbei, um nachzusehen, was das Rudel vorhatte.
Lyall und Mr. Ulf zogen sich aus und standen sich splitternackt vor aller Augen gegenüber, was nur von ein oder zwei Pfiffen oder Rufen kommentiert wurde. Männer des Militärs waren an Werwolfsverwandlungen und die Unschicklichkeit, die ihnen vorausging, gewöhnt.
Professor Lyall war älter, als er zugeben wollte, und hatte sich im Laufe der Zeit an die Formwandlung gewöhnt. Wenngleich er sie auch nicht angenehm fand, verstand er es zumindest, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr die Verwandlung schmerzte. Und sie schmerzte immer. Das Geräusch, wenn sich ein Mensch in einen Wolf verwandelt, war das brechender Knochen, reißender Muskeln und schmelzenden Fleisches, und leider fühlte es sich auch genauso an.
Werwölfe bezeichneten ihre spezielle Art der Unsterblichkeit als Fluch. Jedes Mal, wenn sich Lyall verwandelte, fragte er sich, ob das womöglich stimmte und Vampire nicht vielleicht die bessere Wahl getroffen hatten. Natürlich konnten sie durch Sonnenlicht getötet werden, und sie mussten umherlaufen und anderer Leute Blut trinken, doch beides konnten sie bequem und stilvoll tun. Eigentlich war das Werwolfsdasein mit all der Nacktheit und Tyrannei des Mondes im Grunde würdelos. Und Professor Lyall war ein Mann von Würde.
Hätte man die umstehenden Männer gefragt, hätte jeder von ihnen das Gleiche gesagt: Wenn man von jemandem behaupten konnte, sich mit Würde vom Mensch zum Wolf zu verwandeln, dann war das Professor Lyall. Er machte dem Regiment Ehre, und das wussten sie alle. Sie hatten die Woolsey-Werwölfe des Regiments sowohl auf dem Schlachtfeld als auch abseits davon bei Verwandlungen zugesehen, doch keiner war dabei so schnell und ruhig wie Lyall. Spontan gaben sie ihm höflichen Beifall,
Weitere Kostenlose Bücher