Entflammte Nacht
Augen stiegen. Also wirklich, in ihrem Alter! Es schien eine sehr lange Zeit her zu sein, seit irgendjemand sie mit aufrichtiger Zuneigung berührt hatte.
Luftküsse und flüchtiges Tätscheln auf den Kopf waren alles, was im Haushalt der Loontwills an liebevoller Zuwendung verteilt wurde, und das schon seit ihrer Kindheit. Erst als Conall in ihr Leben getreten war, hatte Alexia körperliche Nähe kennengelernt. Er hatte es ungemein genossen und sie bei jeder möglichen Gelegenheit darin verwickelt.
Madame Lefoux war nicht ganz so forsch, aber sie war Französin und schien das Gefühl zu haben, dass tröstende Worte auch mit einer beruhigenden Liebkosung einhergehen sollten. Alexia genoss die Berührung. Die Hand auf ihrer Schulter war nicht groß und schwielig, und Madame Lefoux roch nach Vanille und Schmieröl, nicht nach freiem Feld, aber in der Not durfte man nicht wählerisch sein.
»Oh, es ist nichts. Ich wurde nur einen Augenblick lang an zu Hause erinnert.« Alexia nahm einen weiteren Schluck Tee.
Neugierig blickte der Wissenschaftler zu ihr auf. »Hat er Sie nicht gut behandelt, Ihr Werwolf-Gatte?«
»Letztendlich eigentlich nicht«, entgegnete Alexia ausweichend, die nicht gern mit seltsamen kleinen Männern über persönliche Angelegenheiten sprach.
»Werwölfe. Schwierige Geschöpfe, jawoll. Was von der Seele noch übrig bleibt, ist nichts als Gewalt und rein emotionales Verhalten. Es ist ein Wunder, dass Sie in England es geschafft haben, sie in die Gesellschaft zu integrieren.«
Alexia zuckte mit den Schultern. »Ich habe eher den Eindruck, dass der Umgang mit Vampiren schwieriger ist.«
»Wirklich?«
Mit dem Gefühl, verräterisch indiskret gewesen zu sein, suchte Alexia nach der richtigen Formulierung. »Sie wissen ja, wie Vampire sind, all das ganze Schicki-Micki und ›Ich bin älter als du‹.« Sie verstummte kurz. »Nein, ich schätze, Sie wissen nicht, wie sie sind, nicht wahr?«
»Hmm. Ich hätte gedacht, Werwölfe wären ein größeres Problem, so wie sie in Armeen herumrennen und normale Sterbliche heiraten.«
»Nun ja, mein spezieller Werwolf hat sich am Ende tatsächlich als ein wenig schwierig herausgestellt. Aber fairerweise muss ich gestehen, dass er bis dahin absolut umgänglich war.« Alexia war sich schmerzlich bewusst, dass »absolut umgänglich« eine ziemliche Untertreibung war. Auf seine besitzergreifende, mürrische Art war Conall ein Musterbild von Ehemann gewesen: zärtlich, wenn es nötig war, und rau, bis wieder Sanftheit erwünscht wurde. Sie erbebte leicht bei der Erinnerung daran. Außerdem war er laut und ruppig gewesen, mit einem übertrieben Beschützerinstinkt, aber er hatte sie angebetet. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis sie tatsächlich geglaubt hatte, all diese heftige Zuneigung, mit der er sie überschüttete, wert zu sein. Umso grausamer war es, wenn sie einem zu Unrecht wieder entzogen wurde.
»Aber ist es denn nicht das Endergebnis, das zählt?«, sagte Madame Lefoux, den Kopf leicht zurückgeworfen. Sie hatte eine entschiedene Abneigung gegen Conall entwickelt, seit er Alexia hinausgeworfen hatte.
Alexia schnitt eine Grimasse. »Gesprochen wie eine wahre Wissenschaftlerin.«
»Sie können ihm doch unmöglich verzeihen, was er getan hat?«
Herr Lange-Wilsdorf sah wieder auf. »Er hat Sie rausgeworfen? Glaubt er nicht, dass das Kind von ihm ist?«
»Die Heuler haben noch nie von einem Werwolfskind gesungen.« Alexia konnte es nicht glauben, aber sie verteidigte ihren Mann tatsächlich. »Und mich zu lieben reichte für ihn anscheinend nicht aus, um diese Tatsache unerheblich zu machen. Er gab mir nicht einmal eine Chance.«
Der Wissenschaftler schüttelte den Kopf. »Werwölfe. Gewalt und rein emotionales Verhalten.« Dann legte er den Füllfederhalter nieder und beugte sich über Buch und Notizbuch zu ihr vor. »Ich habe den ganzen Vormittag mit Nachforschungen verbracht. Meine Aufzeichnungen scheinen seine Einschätzung zu untermauern. Obwohl das Fehlen von vergleichbaren Fällen oder anderen Informationen keinen wirklichen Beweis darstellt. Es gibt noch ältere Aufzeichnungen.«
»Aufzeichnungen von Vampiren?«, spekulierte Alexia und dachte an die Vampir-Edikte.
»Aufzeichnungen der Templer.«
Floote zuckte kaum merklich zusammen. Alexia sah ihn an, doch er kaute ungerührt an seinem Essen.
»Also glauben Sie, die Templer könnten irgendeinen Hinweis darauf haben, wie das hier möglich sein kann?« Alexia deutete mit einer
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