Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entflammte Nacht

Entflammte Nacht

Titel: Entflammte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Carriger
Vom Netzwerk:
hatten, noch die üppigen Rüschen, doch vermutlich war ein albernes Nachthemd besser als gar nichts.
    Bald darauf entdeckte sie, dass man ihr außerdem einen Morgenmantel aus mit Samt verbrämtem Brokat bereitgelegt hatte, und ein Paar flauschige Bettpantoffeln entdeckte sie auch. Ihre Aktentasche und der Sonnenschirm lagen, augenscheinlich unbehelligt, auf einem großen rosa Fußhocker neben dem Bett. Da jeder Mensch mit kultiviertem Empfinden ihr unglückseliges weinrotes Kleid inzwischen verbrannt haben würde und sie nirgends im Zimmer ein anderes respektables Gewand ausfindig machen konnte, legte Alexia den Morgenmantel an, schnappte sich ihren Sonnenschirm und streckte vorsichtig den Kopf hinaus in den Korridor.
    Der entpuppte sich als eher großzügiges Vestibül, das mit dicken Teppichen ausgelegt und von einer Reihe religiöser Bildnisse gesäumt war. Dabei hatte man schlichten Kreuzen den Vorzug gegeben. Alexia entdeckte aber auch die mächtige vergoldete Statue eines gottesfürchtig aussehenden Heiligen, der Jadeblumen im Haar und mit Rubinen verzierte Sandalen trug. Allmählich begann sie sich zu fragen, ob sie sich womöglich in einer Art Kirche oder Museum befand. Gab es Kirchen mit Gästezimmern? Sie hatte keine Ahnung. Da Alexia keine Seele hatte, die auf Erlösung hoffen konnte, hatten religiöse Angelegenheiten bisher außerhalb ihres Interessensbereiches gelegen.
    Völlig ungebeten meldete ihr Magen seine gähnende Leere, und das ungeborene Ungemach strampelte mitleidend. Alexia schnupperte leicht. Ein köstlicher Duft wehte von irgendwo in der Nähe herbei. Alexia hatte zwar gute Augen und ein recht adäquates Gehör – obwohl es ihr in ihrer Ehe immer bemerkenswert gut gelungen war, die Stimme ihres Gatten auszufiltern –, doch es war ihr Geruchssinn, der sie vom gewöhnlichen Rest der Menschheit unterschied. Sie schrieb das ihrer übergroßen Nase zu. Doch was auch immer die Ursache war, dieser Geruchssinn leistete ihr an diesem speziellen Tag gute Dienste, denn er führte sie mit untrüglicher Sicherheit einen Seitengang entlang, durch ein großes Empfangszimmer und hinaus in einen riesigen Hof, wo sich eine Menge Männer an langen Tischen versammelt hatten, um zu essen. Man stelle sich das nur vor: draußen zu essen, und das nicht bei einem Picknick!
    Unsicher blieb Alexia auf der Türschwelle stehen. Eine ganze Ansammlung von Männlichkeit – und sie nur in einem Morgenmantel! Solch einer Gefahr hatte sie sich noch nie zuvor gegenübergesehen. Hoffen wir, dass meine Mutter nie davon Wind bekommt!
    Die sitzende Menge entpuppte sich als absonderlich stille Versammlung. Gesten waren das bevorzugte Mittel der Kommunikation. Am Kopf einer der Tafeln saß ein düster gekleideter Mönch, der mit monotoner Stimme in unverständlichem Latein aus einer Bibel vorlas. Jeder einzelne der stummen Esser war tief gebräunt und trug respektable, jedoch nicht kostspielige Kleidung, wie sie die jungen Männer auf dem Land bei der Jagd bevorzugten: weite Kniebundhosen, Westen und Stiefel. Außerdem waren sie bis an die Zähne bewaffnet. Und das am Frühstückstisch. Das war verstörend, um es gelinde auszudrücken.
    Alexia schluckte nervös und trat dann in den Hof. Eigenartigerweise nahm kaum einer der Männer Notiz von ihr, als schienen sie ihre Existenz nicht einmal zu bemerken. Es gab ein oder zwei sehr verstohlene Seitenblicke, aber im Großen und Ganzen wurde Alexia Maccon von allen Anwesenden vollständig ignoriert, dabei waren mindestens hundert hier versammelt.
    Sie zögerte. »Ähm … hallo?«
    Schweigen.
    Zugegeben, ihre bisherigen familiären Erfahrungen hatten Alexia auf ein Leben in Nichtbeachtung vorbereitet, aber dies hier war einfach lächerlich.
    »Hier drüben!« Von einem der Tische winkte ihr jemand.
    Mitten unter den Gentlemen saßen Madame Lefoux und Floote, die, wie Alexia mit einem Gefühl tiefster Erleichterung feststellte, ebenfalls Morgenmäntel trugen. Sie hatte Floote noch nie in etwas anderem als beruflicher Kleidung gesehen, und der arme Mann schien über die informelle Gewandung sogar noch beschämter zu sein als sie selbst.
    Alexia ging auf sie zu. Madame Lefoux schien sich ziemlich wohl zu fühlen, obwohl sie in ihrem Morgenmantel überraschend feminin aussah. Es war merkwürdig, sie ohne ihren üblichen Zylinder und die restliche männliche Kleidung zu sehen. Sie wirkte weicher und hübscher. Alexia gefiel das.
    Floote wirkte angespannt und warf unablässig

Weitere Kostenlose Bücher