Entflammte Nacht
hinauszuposaunen!«
»Ach, dann ist dies hier also kein offizieller Besuch? Sie sind doch nicht etwa gekommen, um den Woolsey-Alpha herauszufordern? Lord Maccon weilt im Augenblick außer Haus.« Der Diwan war einer der wenigen Werwölfe in England, der Lord Maccon einen anständigen Kampf liefern konnte und das angeblich – wegen einer Partie Bridge – auch schon getan hatte.
»Warum sollte ich denn so etwas wollen?«
Professor Lyall antwortete nur mit einem kleinen Schulterzucken.
»Das Problem mit euch Rudelwölfen ist, dass ihr ständig annehmt, wir Einzelgänger würden etwas wollen, was ihr habt.«
»Erzählen Sie das den Herausforderern.«
»Nun … Die zusätzliche Verantwortung für ein Rudel wäre jedenfalls das Letzte, was ich gebrauchen könnte.« Umständlich nestelte der Diwan an der zurückgeschlagenen Kapuze in seinem Nacken herum, bis sie seiner Meinung nach richtig lag.
Er hatte sich als Mensch erst in fortgeschrittenem Alter für den Fluch entschieden, weshalb sein Gesicht Hängebacken, Falten um Nase und Mund und Tränensäcke unter den Augen zeigte. Er hatte dunkles, volles Haar, das an den Schläfen von einem Hauch Grau durchzogen wurde, und buschige Augenbrauen über grimmig blickenden, tief liegenden Augen. Er sah recht gut aus und hatte in seiner Zeit sicherlich das eine oder andere Herz gebrochen, aber Lyall war der Meinung, dass seine Lippen ein wenig zu voll und der Schnurrbart und die Koteletten zu bauschig waren.
»Welchem Umstand verdanke ich dann zu so früher Stunde die Ehre Ihres Besuchs?«
»Ich habe etwas für Sie, kleiner Beta. Es handelt sich um eine heikle Angelegenheit, und natürlich versteht es sich von selbst, dass niemand von meiner Verwicklung darin erfahren darf.«
»Ach wirklich, tut es das?«, entgegnete Lyall, nickte jedoch.
Der Werwolf zog ein aufgerolltes Metallblatt aus seinem Mantel. Professor Lyall erkannte sofort, was es war – es diente der Übertragung von Botschaften mittels eines äthographischen Transmitters. Er griff in die Schublade seines Schreibtisches, holte eine spezielle kleine Kurbelvorrichtung hervor und entrollte damit vorsichtig das Metallblatt. Dabei zeigte sich, dass die Nachricht bereits herausgeätzt und also gesendet worden war. Die Botschaft war kurz und sachlich, Buchstabe für Buchstabe war sauber in das jeweilige Rasterkästchen eingetragen – und ziemlich unklugerweise hatte der Verfasser die Botschaft unterschrieben.
»Ein Vampir-Tötungsbefehl«, sagte Lydall, »der den Todesbiss für Lady Maccon anordnet. Eigentlich amüsant, wenn man bedenkt, dass sie nicht gebissen werden kann. Aber ich schätze, es ist die zugrunde liegende Absicht, die zählt.«
»Soweit ich weiß, ist das mit dem Biss auch nur eine vampirische Redewendung.«
»Sie sagen es. Ein Tötungsbefehl ist ein Tötungsbefehl, und unterschrieben ist dieser hier von keinem Geringeren als dem Wesir.« Professor Lyall stieß einen tiefen Seufzer aus, legte das Metallblatt mit einem blechernen Laut auf den Schreibtisch und kniff sich dann über das Brillengestell hinweg in den Nasenrücken.
»Dann verstehen Sie also, was mein Problem ist?« Der Diwan sah ebenso resigniert aus.
»Handelt er mit Wissen von Königin Victoria?«
»O nein, nein! Aber er hat den Äthographen der Krone benutzt, um den Befehl nach Paris zu senden.«
»Wie bemerkenswert nachlässig von ihm. Und Sie haben ihn auf frischer Tat ertappt, ja?«
»Nein, aber ich habe einen Bekannten unter den Angestellten, die den Transmitter bedienen. Er vertauschte die Platten, sodass der Absender anschließend die falsche vernichtete.«
»Und warum kommen Sie damit zu BUR ?«
Der Diwan schien ein wenig beleidigt über diese Frage zu sein. »Ich komme damit nicht zu BUR , sondern informiere das Woolsey-Rudel. Schließlich ist Lady Maccon ungeachtet der ganzen Klatschgeschichten immer noch mit einem Werwolf verheiratet, und ich bin schließlich der Diwan. Den Vampiren darf nicht gestattet werden, willkürlich einen der unseren zu töten. Das geht einfach nicht. Das ist ja praktisch so schlimm wie Claviger abspenstig zu machen. So etwas darf einfach nicht toleriert werden, sonst geht jeglicher übernatürlicher Anstand vor die Hunde.«
»Aber es darf nicht bekannt werden, dass diese Information von Ihnen stammt, Mylord?«
»Nun, ich muss immerhin mit diesem Mann zusammenarbeiten.«
»Ach ja, natürlich.« Professor Lyall war ein wenig überrascht. Es kam selten vor, dass sich der Diwan in
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