Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
einen Ausblick auf die Niederungen von Roß und sah morgens und abends aus dem Schornstein einer Heimstätte, die vermutlich in einem Tal lag, Rauch aufsteigen.
    Mit halbverstörten Sinnen beobachtete ich, wenn ich durchnäßt war und fror, diesen Rauch und stellte mir den Kamin und die Menschen, die daran saßen, so lange vor, bis mir das Herz weh tat. Ähnlich erging es mir mit den Dächern der Häuser von Iona. Aber dieser Anblick menschlicher Wohnstätten und der Gedanke an ein behagliches Leben – obwohl meine Leiden dadurch verschärft wurden – hielt die Hoffnung auf Rettung in mir aufrecht. Er half mir, die rohen Muscheln hinunterzuwürgen, vor denen ich mich so sehr ekelte, und er bewahrte mich vor dem Entsetzen, das mich jedesmal ergreifen wollte, wenn ich im strömenden Regen nichts um mich her sah als tote Felsen, Wasservögel und die eiskalte See.
    Ich sagte, dieser Anblick hielt meine Hoffnung aufrecht. Ja, es schien unmöglich, daß ich hier, so nahe an der heimatlichen Küste, angesichts eines Kirchturmes und des Rauches aus menschlichen Behausungen, sterben sollte. Aber der zweite Tag verging, und obgleich ich auch, solange es hell genug war, nach Fischerbooten im Sund Ausschau hielt und nach Menschen, die sich vielleicht auf den Hügeln von Roß bewegten, es war nichts zu entdecken, was mir Hilfe hätte bringen können.
    Es regnete immer noch. Ich legte mich ebenso durchnäßt schlafen wie am Abend zuvor. Der Hals tat mir sehr weh, aber ein bißchen tröstete es mich doch, daß ich meinem nächsten Nachbarn in Iona eine gute Nacht hatte wünschen können.
    Karl II. hat einmal gesagt, im englischen Klima könnten die Menschen sich viel länger ständig im Freien aufhalten als in irgendeinem anderen Lande. So einen Ausspruch kann sich nur ein König erlauben, der weiß, daß er bald wohlgeborgen in seinem Palast sitzen wird, in dem trockene Kleider zum Wechseln bereitliegen. Auch muß der König auf seiner Flucht von Worcester mehr Glück gehabt haben als ich auf dieser trostlosen Insel. Es war zwar Hochsommer, aber es regnete nun schon seit mehr als vierundzwanzig Stunden, und erst am Nachmittag des dritten Tages klärte es sich auf.
    Das war ein Tag voller Ereignisse. Am Morgen erblickte ich ein Stück Rotwild, einen Rehbock mit prächtigem Geweih, der im Regen an der höchsten Stelle der Insel stand. Aber kaum hatte er mich unter meinen Felsblöcken vorkriechen sehen, als er sich langsam davonmachte und auf die andere Seite der Insel hinüberwechselte. Ich nahm an, er müsse durch den Sund herübergeschwommen sein, wenn ich mir auch nicht vorstellen konnte, was eine lebende Kreatur veranlassen sollte, nach Earraid zu kommen.
    Ein wenig später, als ich im seichten Wasser herumsprang, um meine Muscheln zu sammeln, stutzte ich, denn von einem Felsen herab war ein Goldstück vor meinen Augen ins Meer gepurzelt. Als mir die Matrosen meine Barschaft zurückgegeben hatten, war nicht nur ein Drittel der Summe, sondern auch meines Vaters lederne Börse in ihrem Besitz verblieben. Daher trug ich seit jenem Tage mein Geld und den silbernen Knopf lose in der Tasche. Jetzt entdeckte ich, daß sie ein Loch haben mußte, und griff hastig hinein. Aber das hieß den Stall verriegeln, nachdem das Vieh gestohlen war. Ich hatte Queensferry mit ungefähr fünfzig englischen Pfund in der Tasche verlassen. Jetzt fand ich nur noch zwei Guineen und eine Silbermünze.
    Zwar konnte ich bald darauf ein drittes Goldstück aufsammeln, das im Grase blinkte, aber nun bestand des Vermögen des jungen Burschen, der der rechtmäßige Erbe eines Grundbesitzes und zur Zeit auf einem Eiland am äußersten Ende des wilden Hochlandes dem Verhungern nahe war, aus drei Guineen und vier englischen Silbermünzen.
    Dieses neue Mißgeschick bedrückte mich schwer. Ja, meine Lage an jenem Morgen war wirklich beklagenswert. Überdies fingen meine Kleider an, mürbe zu werden und zu zerfallen; meine Strümpfe waren völlig zerfetzt, so daß meine Waden nackt hervorsahen. Von dem ständigen Wühlen im nassen Sande waren meine Hände ganz weich und schlaff geworden. Ich hatte schreckliche Halsschmerzen, und meine Kräfte waren fast aufgezehrt, dabei widerte mich das ekelhafte Muschelzeug, das ich hinunterzuschlingen genötigt war, entsetzlich an.
    Aber das Schlimmste sollte noch kommen.
    Im Nordwesten der Insel Earraid liegt ein ziemlich hoher Felsen, der, da er etwas abgeflacht ist und man von dort den Sund gut übersehen kann, häufig von mir

Weitere Kostenlose Bücher