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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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umdrehte, war jeder Zweifel ausgeschlossen. Das Boot steuerte direkt auf Earraid zu.
    Jetzt hielt mich nichts mehr. Ich lief, von Fels zu Fels springend, dem Strande zu. Es ist ein wahres Wunder, daß ich nicht ins Meer gestürzt und ertrunken bin, denn als ich endlich stehenblieb, um Atem zu holen, zitterten meine Knie, und meine Kehle war wie ausgedörrt. Ich mußte sie mit ein wenig Seewasser anfeuchten, ehe ich imstande war, den Fischern etwas zuzurufen.
    Das Boot war indessen immer näher an die Insel herangekommen, und jetzt konnte ich feststellen, daß es dasselbe war, das ich gestern gesehen hatte, und auch die beiden Männer waren dieselben; ich erkannte sie an ihrer Haarfarbe. Aber es war noch ein dritter dabei, wie mir schien, höheren Standes als die beiden anderen.
    Sobald sie in Hörweite waren, zogen sie das Segel ein, und das Boot blieb still liegen. Trotz meines Flehens änderte sich nichts daran, und was mich am meisten entsetzte, war die Tatsache, daß der dritte, Neuhinzugekommene, immer wieder laut lachte und mich ansah, während er mit den anderen sprach.
    Dann stand er im Boot auf und redete lange Zeit mit lebhaften Handbewegungen auf mich ein. Ich rief zurück, ich verstünde kein Gälisch. Darauf wurde er sehr böse, und mir dämmerte, daß er wohl Englisch geradebrecht haben mußte. Bei angestrengtem Lauschen fing ich ein paarmal die Worte »was auch immer« auf. Aber alles übrige klang wie Gälisch und hätte ebensogut Griechisch oder Hebräisch sein können. Ich verstand nicht, was er wollte.
    »Was auch immer«, wiederholte ich schreiend, um ihm klarzumachen, daß ich diese Worte verstanden hatte.
    »Ja, ja, ja«, rief er zurück und sah die anderen Männer triumphierend an, als wolle er sagen: Na seht Ihr, ich habe Euch ja gesagt, daß ich englisch sprechen kann, und dann schwatzte er in gälischer Mundart lebhaft weiter drauflos.
    Diesmal verstand ich wieder ein Wort. Es klang wie »Flut«, und das gab mir neue Hoffnung. Es war mir aufgefallen, daß er ständig mit der Hand nach dem Festland, nach Roß, gewiesen hatte.
    »Meint Ihr, wenn die Flut zurückgeht ...«, schrie ich. Ehe ich zu Ende sprechen konnte, rief er aufgeregt: »Ja, ja, die Flut!«
    Unverzüglich kehrte ich dem Boot den Rücken. Mein Ratgeber hatte übrigens schon wieder zu lachen angefangen. Ich sprang auf dem Wege, auf dem ich eben gekommen war, wieder zurück, von einem Felsblock zum anderen, dann rannte ich quer über die Insel. Ich glaube, so schnell bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht gelaufen. Nach etwa einer halben Stunde langte ich am Ufer des Wasserlaufs an, der jetzt tatsächlich zu einem schmalen Rinnsal zusammengeschrumpft war. Ich watete durch das Wasser, das mir kaum bis an die Knie reichte, und landete mit einem Jubelruf auf dem Festland.
    Ein an der See aufgewachsener Junge, der das Meer und seine Eigentümlichkeiten kennt, wäre nicht einen Tag auf der Insel Earraid geblieben, denn es ist eine Flutinsel, und man kann zweimal in vierundzwanzig Stunden trockenen Fußes oder im seichten Wasser watend hin und her gehen. Schließlich hatte ich ja beobachtet, wie die Gezeiten wechselten, und hatte die Ebbe abgewartet, um leichter an meine Muscheln heranzukommen. Wenn ich also ernsthaft nachgedacht hätte, anstatt gegen mein Schicksal zu wüten, wäre mir das Geheimnis von selber aufgegangen, und ich hätte mich schon längst aus meiner trostlosen Lage befreien können. Kein Wunder also, daß die Fischer mein Geschrei nicht begriffen hatten, ein Wunder vielmehr, daß sie mein klägliches Versagen durchschaut und erkannt hatten, wie begriffsstutzig ich gewesen war. So hatte ich nahezu hundert Stunden lang auf der wüsten, einsamen Insel sinnlos gegen Hunger, Nässe und Kälte angekämpft und wäre dabei beinah umgekommen. Wären die Fischer nicht gewesen, aus purer Dummheit hätte ich mein Leben eingebüßt. So wie die Dinge lagen, kam mir meine Dummheit schon teuer genug zu stehen; nicht nur wegen der durchgemachten Leiden, sondern auch was meine jetzige Verfassung anbelangte. Ich war zerlumpt wie ein Bettler, kaum fähig, auch nur ein paar Schritte zu gehen, und mein wunder Hals verursachte mir arge Schmerzen.
    Ich habe böse Menschen und Narren kennengelernt und glaube, daß beide am Ende ihren gerechten Lohn bekommen, aber die Narren allemal zuerst.

XV. Ich durchstreife mit Alans silbernem Knopf die Insel Mull
    Das Roß of Mull genannte Gebiet, in dem ich mich nun befand, ist eine rauhe Gegend,

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