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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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froh, daß er nicht sehen konnte, wie rot ich geworden war.
    »War es etwa zuviel?« fragte ich.
    »Zuviel?« schrie er. »Bei Gott, ich würde Euch für ein Glas Branntwein selber nach Torosay bringen, und obendrein hättet Ihr die Freude an meiner Gesellschaft, denn schließlich bin ich ja nicht ganz ohne Bildung.«
    Ich konnte nicht recht begreifen, wie ein Blinder als Führer dienen sollte. Aber darüber mußte er laut lachen und meinte, sein Stock sei ebensogut wie ein paar Adleraugen.
    Nach einer Pause fügte er hinzu: »Wenigstens auf der Insel Mull, wo ich jedes Heidekrautbüschel und jeden Stein kenne. Seht her«, sagte er, um seine Behauptung zu beweisen, »da unten fließt ein Bach und dort, wo er entspringt, liegt ein kleiner Hügel mit einem Felsblock auf dem Gipfel, und dicht am Fuße dieses Hügels entlang führt mitten durch die Heide der Weg nach Torosay; er ist grasbewachsen und stark ausgetreten.«
    Das alles stimmte, wie ich zugeben mußte, genau. Ich war sehr erstaunt und sagte es ihm.
    »Hach«, erwiderte er selbstgefällig, »das ist noch gar nichts. Wollt Ihr mir glauben, daß ich, ehe das Waffenverbot in diesem Land erlassen wurde, gut schießen konnte? Und wie ich das konnte!« schrie er und rückte mir immer mehr auf den Leib, während ich ihm ständig auswich; dann fügte er hinzu: »Wenn Ihr so etwas wie eine Pistole bei Euch hättet, würde ich es Euch vormachen.«
    Ich sagte ihm, daß ich keine Waffe bei mir trüge, und versuchte, etwas zurückzubleiben.
    Hätte er nur gewußt, daß sein eigener Schießprügel aus seiner Tasche hervorsah und der Stahl in diesem Augenblick in der Sonne funkelte! Aber zu meinem Glück ahnte er es nicht, sondern wähnte die Waffe gut verborgen. In seiner Unkenntnis log er munter weiter.
    Dann wollte er mich auf listige Weise ausfragen, woher ich käme, ob ich reich sei, ob ich ihm wohl eine Fünfshillingmünze einwechseln könne, die er zufällig in seinem Felleisen bei sich trage. Wir befanden uns auf einem Wiesenpfad, einem Herdenweg, der über die Hügel nach Torosay führte. Wie bei einem gälischen Volkstanz sprangen wir dauernd von einer Seite zur anderen. Ich war ihm aber so offensichtlich überlegen, daß sich meine Stimmung besserte und dieses Blindekuhspielen mir Spaß zu machen begann. Doch mein frommer Katechet wurde immer zorniger und fing an, laut zu fluchen; er versuchte, mir mit seinem Stecken gegen die Beine zu schlagen.
    Darauf erklärte ich ihm, ich hätte genauso wie er eine Pistole in der Tasche, das solle er sich gesagt sein lassen, und wenn er sich jetzt nicht schleunigst aus dem Staube mache, würde ich ihm das Lebenslicht ausblasen.
    Sofort wurde er außerordentlich höflich. Nachdem er sich dann eine Weile vergeblich bemüht hatte, mich zu besänftigen, fluchte er wiederum lästerlich auf gälisch und machte, daß er wegkam.
    Ich beobachtete, wie er, sich mit seinem Stock weitertastend, mit langen Schritten durch Morast und Gestrüpp davoneilte, bis er hinter einem vorspringenden Hügel in einer Talsenke verschwand. Froh, wieder allein zu sein und nicht mehr in der Gesellschaft dieses »feingebildeten« Mannes, suchte ich meinen Weg nach Torosay. Das war ein Tag des Unheils für mich gewesen, aber diese beiden Gauner, von denen ich mich nun glücklich befreit hatte, waren auch die schlimmsten Strolche, denen ich im Hochland je begegnet bin.
    In Torosay, am Sund von Mull, gab es einen Gasthof mit der Aussicht auf das Festland von Morven und einen Gastwirt, der auch Maclean hieß und, wie es schien, äußerst vornehmer Herkunft war. Im Hochland gilt der Besitz eines Gasthofs für weit standesgemäßer als bei uns daheim, vielleicht deswegen, weil dieser Beruf Gastfreundlichkeit voraussetzt, vielleicht aber auch, weil er ein willkommenes Gewerbe für Faulenzer und Trunkenbolde ist.
    Der Mann sprach ein gutes Englisch, und als er merkte, daß ich etwas gelernt hatte, versuchte er zuerst, sich französisch mit mir zu unterhalten – darin war er mir über –, dann auf lateinisch, wobei nicht klar wurde, wer von uns beiden besser abschnitt. Dieser vergnügliche Wettstreit schuf sofort eine freundschaftliche Beziehung. Wir saßen lange beisammen, ich trank Punsch mit ihm, oder, richtiger, ich sah zu, wie er Punsch trank, bis er sich, seiner Sinne nicht mehr mächtig, schluchzend an meine Schulter lehnte.
    So ganz nebenbei erprobte ich ihn mit Alans Knopf. Aber offensichtlich hatte er nie etwas von meinem Freunde gesehen oder gehört,

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