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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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ihnen seit dem Aufstand gesetzlich verboten. Die Leute sollten sich kleiden wie wir in den Niederungen, was sie nur ungern taten, und ihre Kleidung war nun so zusammengewürfelt, daß man staunen mußte. Manche hatten sich nur in einen weiten Mantel oder Überrock gewickelt; darunter waren sie nackt. Die Hosen trugen sie häufig wie eine nutzlose Sache auf dem Rücken. Manche wieder hatten sich aus verschiedenfarbigen zusammengenähten Streifen eine Art schottisches Plaid zurechtgeschneidert. Viele trugen nach wie vor das Hochländerröckchen, nur hatten sie sich mit ein paar Stichen im Schritt eine Hose daraus gemacht. Alle diese Notbehelfe waren aber verboten und wurden schwer bestraft, denn in der Hoffnung, den Widerstandsgeist der Hochländer zu brechen, wurde das Gesetz streng gehandhabt. Auf dieser abgelegenen, vom Meer umspülten Insel gab es jedoch nur wenige Leute, die sich darüber aufhielten oder gar den Angeber spielten.
    Die Bewohner der Insel Mull schienen in größter Armut zu leben, was jetzt, nach der Niederwerfung der Rebellen und seitdem die Häuptlinge kein offenes Haus mehr führten, nicht verwunderlich war. Die Straßen und selbst die wenig begangenen Landwege, die ich benutzte, wimmelten von Bettlern. Auch hierin konnte ich einen Unterschied zwischen meiner engeren Heimat und diesem Teil Schottlands feststellen. In den Niederungen hatten die Bettler, ja, selbst die Wanderburschen, die aus Prinzip betteln, ein tölpelhaftes schmeichlerisches Wesen; wenn man ihnen eine größere Münze gab und sie bat, das übrige Geld herauszugeben, so taten sie es höflich. Aber diese Hochländer hatten, wie sie behaupteten, auf ihre Würde zu achten und baten nur um Almosen, wenn sie Schnupftabak brauchten. Kleingeld gaben sie nicht heraus.
    Gewiß ging mich das alles nur insoweit etwas an, als ich diesen Sitten auf meinem Wege begegnete und sie mich erheiterten. Als viel schwerwiegender erwies es sich, daß die wenigsten Leute Englisch konnten, und diese wenigen waren, wenn sie nicht zur Zunft der Bettler gehörten, selten erpicht darauf, mir beizustehen. Ich wußte nur, daß Torosay mein Ziel war, wiederholte immer wieder den Namen und wies fragend in die vier Himmelsrichtungen. Aber anstatt mir nun ihrerseits durch Zeichen anzugeben, wie ich gehen sollte, schwabbelten sie auf gälisch los, daß sich mir der Kopf drehte; kein Wunder also, daß ich häufig von meinem Wege abkam und den richtigen verfehlte.
    Schließlich erreichte ich spät am Abend, schon recht erschöpft, ein einsames Gehöft, wo ich um ein Obdach bat, das mir kurzerhand verweigert wurde, bis mir einfiel, was für eine Macht man in einem so armen Lande mit etwas Geld in der Tasche besitzt. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt ich eines meiner Goldstücke hoch, worauf der Hausvater, der bis dahin vorgegeben hatte, kein Englisch zu verstehen, und versucht hatte, mich durch beredte Zeichen von seiner Schwelle zu weisen, sich plötzlich so gut verständlich machen konnte, wie es erforderlich war. Er erklärte sich bereit, mir für fünf Shilling ein Nachtquartier zu geben und mich am nächsten Tage nach Torosay zu bringen.
    Ich schlief unruhig in dieser Nacht, denn ich fürchtete, ausgeraubt zu werden, hätte mir diese Sorge aber ersparen können, da mein Gastgeber kein Dieb war, nur schrecklich arm und ein großer Gauner. Mit seiner Armut stand er nicht allein da, denn am nächsten Morgen mußten wir fünf Meilen weit wandern, um zu dem Hause zu kommen, das, wie er sagte, einem reichen Manne gehörte, der eines meiner Goldstücke wechseln sollte. Auf der Insel Mull mag dieser Mann für reich gegolten haben; im Süden des Landes hätte man anders darüber gedacht. Alles, was er besaß, mußte herhalten, das ganze Haus mußte auf den Kopf gestellt und noch ein Nachbar zum Einspringen veranlaßt werden, bis es gelang, zwanzig Shilling in Silbergeld zusammenzukratzen. Den fehlenden einen Shilling behielt der Mann ein und beteuerte immer wieder, eine so große Geldsumme könne er nicht ungenützt im Hause herumliegen lassen. Darüber hinaus war er sehr zuvorkommend und redegewandt und lud uns ein, mit ihm und seiner Familie zu Mittag zu essen. In einer schönen Porzellanschale setzte er einen Punsch an, von dem mein spitzbübischer Führer so aufgeräumt wurde, daß er sich hartnäckig weigerte aufzubrechen.
    Ich wollte böse werden und bat den »reichen« Mann namens Hector Maclean, der Zeuge unserer Abmachung gewesen war und gesehen hatte, wie

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