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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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ich dem Führer fünf Shilling aushändigte, mir doch beizustehen. Aber Maclean hatte schon seinen Teil von dem Punsch weg und versicherte, kein anständiger Mensch könne seinen Tisch verlassen, wenn eben erst Punsch gebraut worden sei. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mir Jakobitentrinksprüche und gälische Lieder anzuhören, bis alle schwer betrunken waren und in ihr Bett oder in die Scheune torkelten, wo sie den Rest der Nacht verschliefen.
    Am nächsten Tage, dem vierten meines Umherirrens, waren wir vor fünf Uhr auf den Beinen. Aber mein spitzbübischer Führer hatte schon wieder die Schnapsflasche beim Wickel, und es dauerte noch geschlagene drei Stunden, bis ich ihn endlich aus dem Hause heraus hatte; dann wurde ich aber, wie der Leser bald erfahren soll, bitter enttäuscht.
    Solange wir einen mit Heidekrautbüscheln bewachsenen Abhang vor Macleans Haus hinunterkletterten, ging alles gut; aber mein Führer spähte in einem fort über seine Schulter zurück, und als ich ihn nach dem Grund fragte, grinste er nur, blieb aber stumm. Kaum hatten wir die nächste Anhöhe hinter uns und konnten vom Haus aus nicht mehr gesehen werden, da sagte er mir, Torosay läge genau vor uns, und meinte, ein Berggipfel, auf den er zeigte, sei der beste Wegweiser für mich.
    »Das ist mir gleichgültig«, erklärte ich, »da Ihr ja mit mir kommt.«
    Der freche Kerl antwortete mir auf gälisch, er verstehe kein Englisch.
    »Guter Freund«, sagte ich, »ich weiß sehr wohl, daß Eure Kenntnisse der englischen Sprache nach Bedarf wachsen und schwinden; sagt mir rundheraus, mit welchen Mitteln sie sich wieder einstellen werden. Wollt Ihr mehr Geld haben?«
    »Noch fünf Shilling«, sagte er, »und ich bringe Euch selber nach Torosay.«
    Ich überlegte erst eine Weile und bot ihm dann zwei weitere Silbermünzen, die er habgierig annahm. Ich müsse sie ihm aber sofort in die Hand drücken, das werde mir Glück bringen, versicherte er; es diente aber eher meinem Unglück.
    Die zwei Shilling brachten ihn kaum ebenso viele Meilen weiter. Dann setzte er sich am Wegrand nieder und zog sich seine derben Schuhe aus, so wie man es macht, wenn man sich gründlich ausruhen will.
    In mir kochte es allmählich.
    »Ach«, rief ich ärgerlich, »Ihr habt wohl Euer Englisch schon wieder vergessen?«
    Er sagte ganz frech: »Ja!«
    Das war mir zuviel, und ich hob die Hand, um ihm einen Schlag zu versetzen. Aber er zerrte ein Dolchmesser aus seinen Lumpen hervor und wollte, fauchend wie eine Wildkatze, auf mich zuspringen. In meiner Wut vergaß ich alles übrige, warf mich auf ihn, schlug mit der linken Hand das Messer beiseite und gab ihm mit der Rechten einen Faustschlag auf den Mund. Ich war ein kräftiger Bursche und sehr wütend. Er war nur ein kleiner, schwächlicher Mann und sackte schwerfällig zusammen. Dabei entglitt ihm das Messer, das ich zugleich mit seinen Schuhen auflas. Dann wünschte ich ihm einen guten Morgen und setzte meinen Weg fort. Er blieb barfuß und ohne Waffe zurück.
    Während ich weiterging, lachte ich schadenfroh in mich hinein, denn den Kerl war ich aus mehreren Gründen endgültig los. Erstens wußte er, daß er von mir kein Geld mehr bekommen würde, außerdem waren seine grobledernen Sandalen hierzulande kaum einen Penny wert, und ein Dolchmesser zu tragen war gesetzlich verboten.
    Nachdem ich etwa eine halbe Stunde kräftig ausgeschritten war, überholte ich einen langen zerlumpten Kerl, der zwar ziemlich schnell ging, aber mit einem Stock den Weg vor sich abtastete. Der Mann, der völlig erblindet war, erzählte mir, er sei Katechet, was mir eigentlich jede Sorge hätte nehmen sollen. Aber sein Gesicht gefiel mir nicht; er sah mürrisch, drohend und verschlagen aus, und als ich dann neben ihm war, sah ich den Kolben einer Pistole aus seiner Manteltasche herausragen. Mit einem solchen Ding im Hochland erwischt zu werden bedeutete aber beim erstenmal fünfzehn Pfund Sterling Strafe und beim zweitenmal Verbannung in die Kolonien. Ich konnte auch nicht recht einsehen, weshalb ein Künder des Evangeliums eine Schußwaffe bei sich tragen mußte oder was ein Blinder mit einer Pistole anfangen sollte.
    Ich erzählte ihm das Erlebnis mit meinem Führer, denn ich war stolz auf das, was ich getan hatte, und dieses eine Mal siegte meine Eitelkeit über meine Vernunft. Als ich die fünf Shilling erwähnte, schrie er so laut auf, daß ich beschloß, ihm nichts von den mir verbliebenen zwei Guineen zu verraten. Ich war

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