Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
einstimmten, so daß es von allen Seiten wie eine Totenklage erklang. Ich sah, wie den Männern und Frauen auf dem Kauffahrer ebenso wie den Ruderern auf unserem Boot Tränen über die Wangen liefen. Die ganze trostlose Angelegenheit und die Melodie des Liedes – es hieß »Lochaber no more« – gingen auch mir sehr nahe.
    In Kinlochaline gelandet, nahm ich Neil Roy zur Seite und sagte ihm, ich sei überzeugt, daß er zu den Anhängern Appins gehören müsse.
    »Und warum das?« fragte er.
    »Ich suche jemand«, erwiderte ich, »und ich denke mir, Ihr müßtet etwas von ihm wissen. Er heißt Stuart und wird Alan Breck genannt.«
    Törichterweise ließ ich, anstatt ihm den silbernen Knopf zu zeigen, einen Shilling in seine Hand gleiten.
    Er wich zurück und rief: »Ich empfinde das als eine Kränkung. So sollte sich kein Ehrenmann einem anderen gegenüber benehmen. Der Mann, nach dem Ihr fragt, ist in Frankreich, aber selbst wenn er in meinem Ranzen steckte und Ihr den ganzen Wanst voller Shillinge hättet, würde ich sorgen, daß ihm kein Haar gekrümmt wird.«
    Ich merkte, daß ich es falsch gemacht hatte, und ohne meine Zeit mit Entschuldigungen zu verschwenden, zeigte ich ihm auf meiner flachen Hand den silbernen Knopf.
    »Gut so«, erwiderte Neil, »damit hättest du anfangen sollen. Da du der Junge mit dem silbernen Knopf bist, ist alles in Ordnung, und ich habe den Auftrag, dafür zu sorgen, daß du rasch und ungefährdet weiterkommst. Nimm mir ein offenes Wort nicht übel«, fuhr er fort, »aber den einen Namen solltest du nie aussprechen Alan Breck, und eines solltest du nie tun: einem schottischen Edelmann dreckiges Geld anbieten.«
    Es fiel mir nicht ganz leicht, mich zu entschuldigen, denn ich konnte ihm doch nicht sagen – was zwar der Wahrheit entsprach –, daß es mir nie im Traum eingefallen wäre, er könne sich als schottischer Edelmann entpuppen.
    Neil schien keine Lust zu haben, sich noch länger mit mir abzugeben. Er wollte sich nur seines Auftrages entledigen, und damit gut. Daher sagte er mir rasch, wie ich weiterwandern müsse. Ich sollte im Gasthof von Kinlochaline übernachten, am nächsten Tage von Morven nach Argdour wandern, wo ich im Hause eines gewissen John of the Claymore nächtigen könnte, dem ich angekündigt sei. Am dritten Tage sollte ich mich über einen See bei Corran setzen lassen, dann über einen anderen bei Balachulish und mich von dort bis zu dem Hause des James of the Glens durchfragen; es liege in Aucharn bei Duror of Appin. Das bedeutete, daß ich mehrmals Fähren benutzen mußte, denn in diesem Teil des Landes reichen die Meeresarme oft tief ins Bergland hinein, ja, häufig schlängeln sie sich am Fuße der Berge entlang. Dadurch ist das Land zwar leichter zu verteidigen, aber die Gegend ist wild und schrecklich.
    Neil gab mir nur noch einen Rat. Ich sollte, so meinte er, unterwegs mit niemand sprechen, Whig-Anhänger und Angehörige der Campbell-Sippe und natürlich auch die rotberockten Soldaten meiden. Wenn ich sie von Ferne kommen sähe, sei es am besten, mich im Heidekraut zu verstecken, denn »denen« zu begegnen sei stets unheilvoll. Kurz gesagt, ich sollte mich wie ein Spion der Jakobiten – wofür Neil mich vielleicht hielt – oder wie ein Räuber verhalten.
    Das erbärmliche, schmutzstarrende Wirtshaus von Kinlochaline war schlimmer als ein Schweinestall; es war voller Rauch und Ungeziefer. Schweigsame Hochländer saßen in der Gaststube herum.
    Ich war nicht nur unzufrieden mit meiner Unterbringung, sondern auch mit meinem höchst ungeschickten Verhalten Neil Roy gegenüber. Schlimmer konnte es wahrhaftig nicht mehr kommen, dachte ich. Doch da war ich im Irrtum, wie ich sehr bald erfahren sollte. Ich war noch keine halbe Stunde in dem Wirtshaus – die meiste Zeit hatte ich an der offenen Tür gestanden, um dem beißenden Torfrauch zu entgehen –, als in allernächster Nähe ein Gewitter losbrach. Auf der kleinen Anhöhe, wo das Wirtshaus stand, fluteten die Quellen über ihre Ränder, und bald war ein Teil des Hauses unter Wasser gesetzt. Zu der damaligen Zeit taugten die Gasthäuser in ganz Schottland nicht allzuviel, und als ich dann vom Kamin zu meinem Nachtlager ging, mußte ich zu meiner Verwunderung bis zu den Knöcheln durch Wasser waten.
    Am nächsten Morgen, in aller Frühe, war ich unterwegs und überholte einen kleinen dicken Mann, der mit auswärts gekehrten Fußspitzen bedächtig und ernsthaft seine Straße zog; dabei las er in einem Buch

Weitere Kostenlose Bücher