Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
»Zuerst einmal«, rief er mit starker Betonung, »nehme ich das mit der Lüge zurück. Duncan soll Schiedsrichter sein.«
»Das ist gar nicht nötig«, sagte Robin. »Ihr versteht viel mehr davon als irgendein Maclaren in Balquidder und seid wahrhaftig für einen Stuart ein recht guter Musiker. Gebt mir den Dudelsack.«
Alan tat es, und Robin wiederholte das Stück mit Alans Variationen, ja, er verbesserte sie zum Teil, denn er hatte sie sich erstaunlich gut gemerkt.
»Ihr versteht etwas von Musik«, gab Alan mißmutig zu.
»Und nun urteilt selber, Mr. Stuart«, sagte Robin und spielte die Variationen noch einmal von Anfang an, schmückte sie aber mit neuen Einfällen und mit soviel Empfindung und kuriosem Beiwerk aus, daß sie zu etwas ganz Neuem wurden; er gab ihnen so kunstvolle Schnörkel, daß ich beim Zuhören nicht aus dem Staunen herauskam.
Indessen färbte sich Alans Gesicht immer röter; sein Ausdruck wurde immer finsterer. Er saß da, kaute auf seinen Fingerspitzen und sah aus wie jemand, dem bitteres Unrecht geschieht.
»Hört auf!« schrie er endlich. »Ihr versteht Euch aufs Spielen, laßt es damit bewenden.«
Und er machte Anstalten, sich zu erheben.
Aber Robin brachte ihn mit einer Handbewegung dazu, sitzenzubleiben, und begann langsam und getragen einen Kriegstanz. Es war ein schönes Stück, und er spielte es vorzüglich; aber außerdem war es offenbar eine Lieblingsmelodie der AppinStuarts, die auch Alan besonders gern hatte. Kaum waren die ersten Takte erklungen, als sich der Gesichtsausdruck meines Freundes veränderte, und mit dem Rhythmus wurde auch Alan immer lebhafter. Lange, ehe Robin geendet hatte, war jede Spur von Zorn aus dem Gesicht meines Gefährten gewichen; er lauschte nur noch hingegeben der Musik.
»Robin Oig«, sagte er, als der letzte Ton verklungen war, »Ihr versteht großartig zu spielen. Ich kann Euch nicht das Wasser reichen. Ihr habt, meiner Treu, mehr Musik in Euren Fingerspitzen als ich in meinem Schädel. Aber ich muß darauf beharren, daß ich Euch im Fechten überlegen bin; doch ich warne Euch, der Kampf wäre zu ungleich. Außerdem geht es mir gegen den Strich, einen Mann zusammenzuhauen, der so schöne Musik machen kann wie Ihr.«
Damit endete dieser Streit. Abwechselnd griffen nun die beiden nach Mrs. Maclarens Brose und nach dem Dudelsack, und so ging es weiter bis zum frühen Morgen. Die drei Männer waren, als es tagte und lange bevor Robin an den Aufbruch dachte, schon recht mitgenommen.
Ich habe Robin nicht wiedergesehen, denn als er vor Gericht gestellt und in Edinburgh auf dem Grasmarkt aufgeknüpft wurde, war ich in den Niederlanden auf der Schule zu Leyden. Ich habe dies alles so ausführlich geschildert, weil es das letzte einigermaßen bedeutsame Ereignis diesseits der Grenze des Hochlandes war und überdies hat es eine gewisse geschichtliche Bedeutung, da Robin ja, wie gesagt, später abgeurteilt und hingerichtet wurde.
XXVI. Das Ende unserer Flucht
Wir überqueren den Forth
Der Monat neigte sich noch nicht seinem Ende zu; wir waren vielmehr noch mitten im August. Bei prächtigem Wetter und großer Wärme kündete sich eine frühe und reiche Ernte an; ich wurde für völlig genesen und reisefähig erklärt.
Unser Geld war nun so zusammengeschmolzen, daß wir vor allem auf rasches Vorwärtskommen bedacht sein mußten; denn wenn wir nicht bald bei Mr. Rankeillor in Queensferry anlangten, oder falls er sich, wenn wir endlich bei ihm waren, weigern sollte, mir zu helfen, drohte uns die Gefahr, buchstäblich zu verhungern.
Nach Alans Meinung mußten das Tempo der Jagd auf uns erheblich vermindert worden sein, und es war anzunehmen, daß der Forth und sogar die Stirlingbrücke – das war der Hautpübergang über den Strom – nur flüchtig bewacht werden würden.
»Wenn man es mit Militär zu tun hat«, sagte Alan, »gilt als oberster Grundsatz, immer gerade dort aufzutauchen, wo man am allerwenigsten erwartet wird. Der Forth ist unsere Hauptsorge. Du kennst gewiß die Redensart: Der Forth legt dem wildesten Hochländer Zügel an! Wenn wir also versuchen wollten, das Quellengebiet des Forth zu umgehen und Kippen oder Balfron zu erreichen, würden sie bestimmt dort auf uns lauern, um uns abzufangen. Wenn wir uns aber direkt auf die alte Stirlingbrücke zu halten, wette ich meinen guten Degen, daß wir ungeschoren durchkommen können.«
So wanderten wir in der ersten Nacht bis zum Haus eines Angehörigen der MaclarenSippe in Strathire. Er war
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