Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
Duncans Freund, und dort schliefen wir tagsüber. Das war am 21. August.
Bei Anbruch der Nacht brachen wir wieder auf, um eine kurze, nicht zu anstrengende Etappe hinter uns zu bringen. Am 22. August lagen wir tagsüber im Heidekraut, an einem Bergrand bei Uamvar, sahen ein Rudel Rotwild vor uns und schliefen zehn Stunden hintereinander im strahlenden Sonnenschein, der uns umschmeichelte wie warmer Atem. Das Erdreich war so knochentrocken, wie wir es bisher auf der ganzen Reise noch nicht erlebt hatten.
In der kommenden Nacht kamen wir bis zum Allan Water, einem Bergstrom, dessen Lauf wir folgten. Am Fuße des Gebirges sahen wir vor uns das ganze StirlingMarschland liegen, flach wie ein Eierkuchen, mitten darin die Stadt und auf einem Hügel das Schloß; Windungen des Forth glänzten im Mondlicht.
»Ich weiß nicht, ob es dir viel ausmacht, Davie«, sagte Alan, »aber du bist jetzt wieder in deiner Heimat. Zwischen zwölf und eins haben wir die Hochlandgrenze überschritten, und wenn wir es nun schaffen, heil über den gewundenen Wasserlauf dort unten zu kommen, dann haben wir allen Grund, die Kappen in die Luft zu werfen und laut hurra zu schreien.«
An der nahe gelegenen Mündung des Allan Water in den Forth fanden wir ein Sandinselchen, das mit Kletten, Pestwurz und anderem niedrigem Gestrüpp bewachsen war; wenn wir uns flach auf dem Boden ausstreckten, konnte es uns gerade noch vor Entdeckung schützen. Dort schlugen wir unser Lager auf, angesichts der Stirlingburg, von der die Trommelwirbel der aufmarschierenden Rotröcke zu hören waren. Schnitter verrichteten während des ganzen Tages ihre Arbeit auf den Feldern am diesseitigen Flußufer. Wir hörten das Klirren der Sicheln gegen die Wetzsteine; wir hörten sogar die Stimmen der Männer und konnten einzelne Worte verstehen. Für uns galt es also, ganz still liegenzubleiben und den Mund zu halten. Auf dem durchsonnten Sand der kleinen Insel war es schön warm, wir hatten genug zu essen und zu trinken, und, was die Hauptsache war, wir hatten die Rettung vor Augen.
Sobald die Schnitter nach beendeter Arbeit davongegangen waren und der Abend hereinbrach, wateten wir an Land zurück und strebten der Stirlingbrücke zu, blieben aber, im Schutz der Zäune, auf den Feldern.
Die Brücke führt dicht unterhalb des Schloßberges über den Forth; sie ist alt, schmal und hoch, mit einer zinnengekrönten Brustwehr.
Der Leser wird sich vorstellen können, wie neugierig ich sie betrachtete, nicht nur als ein berühmtes historisches Bauwerk, sondern weil sie für Alan und mich das Tor zur Rettung war.
Der Mond schien noch nicht, als wir zu der Brücke kamen. Aus einigen Räumen der Festung schimmerte Licht, und auch in der tiefer gelegenen Stadt waren ein paar Fenster erleuchtet. Am Übergang war alles still. Wachposten waren offenbar nicht ausgestellt.
Ich war dafür, stracks loszugehen, aber Alan mahnte zur Vorsicht.
»Alles scheint zwar völlig ruhig«, sagte er, »aber es ist besser, wenn wir erst einmal hier hinter der Böschung in Deckung bleiben und warten, bis wir unserer Sache ganz sicher sind.«
So verharrten wir eine Viertelstunde, flüsterten miteinander, verhielten uns dann wieder still, hörten aber nichts als das Plätschern der Wellen, die sich an den Brückenpfeilern brachen.
Schließlich kam ein altes Weiblein an einem Krückstock angehumpelt; es blieb zuerst ganz in unserer Nähe stehen und jammerte vor sich hin über den langen Weg, den es hinter sich hatte. Dann schleppte es sich weiter, die steile Brücke hinauf. Die Frau war so klein und die Naccht so finster, daß wir ihre Gestalt bald aus den Augen verloren hatten; wir hörten nur noch ihre schlürfenden Schritte und das Aufschlagen des Krückstocks. Von Zeit zu Zeit hustete sie auch, aber das klang immer ferner.
»Jetzt muß sie doch drüben sein«, flüsterte ich.
»Nein, noch nicht«, erwiderte Alan, »ihre Schritte hallen noch dumpf auf den Brückenplanken.«
Und in diesem Augenblick rief eine Männerstimme:
»Halt! Wer da?«
Wir hörten einen Musketenkolben auf die Steine aufschlagen. Ich meinte, der Posten müsse wohl geschlafen haben und wir wären vielleicht unbemerkt hinübergekommen. Aber jetzt war er wach und die gute Gelegenheit verpaßt.
»So geht es nicht, David, nie im Leben wird es uns auf diese Weise gelingen«, sagte Alan.
Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, begann er durch die Felder zurückzukriechen. Erst nach einer ganzen Weile, als wir außer Sicht und
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