Entfuehrung nach Gretna Green
Blick zugeworfen. Und nun, da er es getan hatte, gefiel es ihr nicht im Geringsten, mehr noch: Sie verabscheute es. Seine Kälte entfachte in ihr den gewohnten Stolz und etwas anderes, etwas Heißes und Ungeduldiges, das das Blut in ihren Adern zum Kochen brachte. Etwas, das dafür sorgte, dass sie sich seiner herrischen Art nicht beugte, sondern energisch ausrief: „Wirklich, Gregor, ich weiß nicht, was du dir eigentlich einbildest, herbeizueilen, um uns zu retten. Es geht uns gut. Gerade haben wir festgestellt, wie schön es doch ist, dass wir in diesem schrecklichen Unwetter dieses gemütliche Gasthaus gefunden haben.“ Sie sah Gregor direkt in die Augen. „Es ist sehr ungewöhnlich, im April einen Schneesturm zu erleben, findest du nicht auch?“ Ravenscroft schien die Anklage in ihrem Ton nicht verstanden zu haben, denn er nickte heftig. „Genau! Es ist sehr ungewöhnlich, sonst hätte ich die Reise anders geplant.“ Er stockte und fügte hastig hinzu: „Nicht dass wir jetzt Hilfe benötigen würden, oder etwa, Miss Oglivie?“
Jetzt erst schien Gregor Venetias derangiertes Äußeres zu bemerken, und auf seinem Gesicht erschien ein ungläubiger Ausdruck. „Ach?“, stieß er hervor.
Es war die Art von „Ach?“, die bedeutete „Das ist gelogen, und du weißt es“, und es gefiel Venetia überhaupt nicht.
„Ja“, stimmte sie Ravenscroft mit fester Stimme zu. Sie konnte den Blick, mit dem Gregor sie und Ravenscroft ansah, als wären sie die dümmsten Kreaturen auf Erden, absolut nicht leiden.
Gregor verachtete die Sorte Menschen, die er „jene mit den schwachen Armen und dem schwachen Willen“ nannte, und Venetia hatte seine Einstellung schon immer unerträglich gefunden und häufig mit ihm darüber gestritten. Doch in diesem Augenblick lagen die Dinge anders. Sie konnte den Spott, den sie in seinen Augen sah, nicht ertragen, und plötzlich war es von größter Bedeutung für sie, nicht hilfsbedürftig zu erscheinen, ganz egal, was es sie kostete. Wenn auch Ravenscrofts törichter Plan sie in eine Lage gebracht hatte, in der sie dummerweise gehofft hatte, gerettet zu werden, wollte sie verdammt sein, wenn sie zuließ, dass Gregor von dieser Hoffnung erfuhr.
„Es war Zeitverschwendung, hierherzukommen“, fauchte sie ihn an. „Ich weiß gar nicht, worüber du dir Sorgen gemacht hast.“
Gregor knöpfte seinen langen Mantel auf, zog ihn aus und warf ihn über einen Stuhl in der Ecke des Zimmers. „Dein Vater hat mich geschickt und mir aufgetragen, dich schnellstmöglich nach Hause zurückzubringen.“
„Aber es ist seine Schuld, dass es passiert ist, um es einmal ganz klar zu sagen! Er hat Ravenscroft ermutigt.“
„Ganz gleich, was dein Vater getan hat, du warst diejenige, die so töricht war, mitzufahren.“
„Oh!“ Venetia schäumte vor Wut. „Ich habe nichts Falsches getan.“
„Nein, sie hat ...“, versuchte Ravenscroft sich erneut einzumischen.
„Ach?“, wiederholte Gregor, ohne den Blick von Venetia abzuwenden. „Bist du freiwillig in die Kutsche eines fremden Mannes gestiegen oder nicht?“
„Ich kenne Ravenscroft!“, erklärte sie energisch.
Ravenscroft öffnete seinen Mund, doch Gregor war schneller. „Du kennst ihn höchstens flüchtig.“
„Ich kenne ihn gut genug“, widersprach Venetia.
Ravenscroft stützte seinen Kopf in die Hände.
„Dann erzähl mir etwas über ihn“, forderte Gregor sie auf. „Beschreib mir seine Lebensumstände. Erklär mir, wie es kam, dass ihr beide euch auf der North Road in einer Kutsche überschlagen habt.“
Venetia sah hinüber zu Ravenscroft, der den Blick gesenkt hielt. Sie atmete tief durch. „Ich bin weder dir noch sonst jemandem eine Erklärung schuldig. Ravenscroft ist ein ... ein sehr netter junger Mann, der ... äh ... sehr höflich und rücksichtsvoll ist“, stieß sie hervor und versuchte nicht daran zu denken, dass sie den armen jungen Lord noch vor zehn Minuten unter die höchste aller Schneewehen gewünscht hatte. „Seit wir London verlassen haben, hat er sich mir gegenüber stets wie ein Gentleman verhalten.“ Mehr oder weniger.
Gregor zog die Brauen hoch. „Abgesehen von der Tatsache, dass er dich entführt hat.“
„Ich wollte sie heiraten“, warf Ravenscroft ein, obwohl niemand in seine Richtung sah.
„... dich belogen hat“, fuhr Gregor fort.
„Ich habe ihr die Wahrheit gesagt, sobald wir hier waren.“ und dich seitdem gefangen hält.“
„Das habe ich nicht getan“, rief Ravenscroft,
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