Entfuehrung nach Gretna Green
„Heute Abend werden die Spencers wohl vergeblich auf dich warten müssen.“
„Ich werde Mr. Oglivie in die Stadt zurückholen“, beschloss Dougal mit gerunzelter Stirn. „Trotzdem weiß ich immer noch nicht, warum ... “
„Dougal, es ist vier Tage her, seit wir zuletzt von Gregor gehört haben.“ Über seine aneinandergelegten Fingerspitzen hinweg betrachtete Alexander seinen Bruder. „Ich glaube, das heißt, dass Gregor in seiner Mission gescheitert ist, Miss Oglivie mit einem intakten Ruf zurück nach London zu bringen. Inzwischen weiß ganz London, dass sie verreist ist und sich in einer für eine junge Dame unpassenden Situation befindet.“ „Das ist Mr. Oglivies Schuld“, stellte Dougal mit finsterer Miene fest. „Er hat es überall herumerzählt. Ich habe versucht, ihn daran zu hindern, aber das war völlig unmöglich.“ Alexander schob sein Kinn vor. „Er ist ein Dummkopf. Und nun befindet sich Gregor in einer heiklen Situation. Er mag Venetia, und er wird es als Ehrensache ansehen, ihren guten Ruf zu schützen.“
Seufzend dachte Dougal bei sich, dass es ihm überhaupt nicht gefiel, in diese Sache verwickelt zu werden. „Nun gut. Ich werde Mr. Oglivie noch heute Abend zurück in die Stadt holen. Soll ich ihn hierherbringen?“
„Nein“, bestimmte Alexander. „Wir werden uns in Gregors Stadthaus aufhalten, bis wir von dir hören.“
„Und dann?“ Dougal sah ihn fragend an.
Alexanders Blick brannte vor Entschlossenheit. „Werden wir hinter Gregor herreiten, um ihm zu helfen.“
„Das wird ihm nicht gefallen.“
„Es ist mir egal, ob ihm das gefällt oder nicht“, entgegnete Alexander in scharfem Ton. „Wenn er will, dass wir zu Hause bleiben, sollte er uns darüber informieren, wo er ist und wie es ihm geht.“
„Oder wenigstens Kontakt mit uns aufnehmen, wenn etwas so Wichtiges wie die Geschichte mit Venetia Oglivie passiert“, fügte Hugh hinzu.
Dougal schüttelte den Kopf. „Ich finde eure Pläne ziemlich überstürzt. Immerhin ist es möglich, dass Gregor die Situation bestens unter Kontrolle hat.“
„Du musst nicht mitkommen“, erklärte ihm Alexander mit schmalem Mund. „Wir können die Sache auch ohne dich regeln.“
Mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht erhob sich Dougal von seinem Stuhl. „Oh, ich komme natürlich mit - und wenn es nur ist, um Gregors Gesicht zu sehen, wenn wir herbeieilen, wild entschlossen, ihn zu retten. Das wird ein höchst interessanter Anblick sein.“
14. Kapitel
Es ist zu schade, dass wir uns nicht so sehen können, wie andere uns sehen. Könnten wir es, würden wir uns vielleicht ein wenig anders verhalten. Manchmal brauchen wir etwas Abstand, um die Dinge klar zu erkennen, die unserem Herzen zu nahe sind ...
... so sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei jungen Enkelinnen.
reicht! rief Gregor. Er packte den wütenden Ravenscroft bei der Krawatte. „Schreien Sie nicht so herum, Sie Dummkopf! Man kann uns im ganzen Haus hören.“ „Ich...“
Gregor fasste fester zu und zog Ravenscroft nach oben, bis seine Zehen kaum noch den Boden berührten.
Ravenscroft keuchte, und sein Gesicht färbte sich langsam rot.
„Es geht um eine Dame, deren Namen Sie nicht einmal wert sind, auszusprechen“, teilte Gregor dem jungen Lord mit und schüttelte ihn.
Verzweifelt umklammerte Ravenscroft Gregors Handgelenke. Inzwischen leuchtete sein Gesicht tiefrot, und er strampelte heftig mit den Beinen, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Ein mühsames Krächzen war der einzige Laut, den er herausbrachte.
Venetia lief zu den beiden Männern und zerrte an Gregors Arm. „Lass ihn los! Du erwürgst ihn ja!“
„Er hat es nicht besser verdient“, stellte Gregor herzlos fest, schüttelte den jungen Mann noch einmal kräftig durch und gab ihn dann frei. Ravenscroft sackte in sich zusammen und
glitt keuchend auf den Boden.
„Was geht hier vor?“, wollte der Squire wissen, der in diesem Moment das Zimmer betrat.
Hinter seinem Rücken konnte Venetia Mrs. Bloom, Miss Platt und Elisabeth sehen, die nacheinander die Treppe heruntergerannt kamen. Mit glühendem Gesicht wirbelte Venetia herum und ging zum Fenster, wo sie mit dem Rücken zum Zimmer stehen blieb und sich die Hand an die Stirn presste. Wie hatte es nur passieren können, dass die Dinge derart aus dem Ruder liefen?
„Es ist alles in Ordnung, Squire“, behauptete Gregor grimmig. „Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit
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