Enthuellung
frei.
Bossman
Auch wenn ich das Geld zu schätzen weiß, kann ich nicht umhin, die Ironie zu bemerken, wenn man bedenkt, wie ich mir die Bezahlung verdient habe. Ich drücke den Scheck an die Stirn und durchlebe noch einmal die Weinverkostung und den Moment, in dem Chris Mark herausgefordert und diese Provision für mich verlangt hat. Als ich ihn gefragt habe, warum er das getan habe, sagte er, damit Mark mich nicht vereinnahmen und zerstören würde. Dann hat er mich zum ersten Mal geküsst, und von diesem Punkt an gehörte ich ihm. »Und ich gehöre ihm immer noch«, flüstere ich, falte die Notiz zusammen und stecke sie in meine Brieftasche. Das Problem ist: Ich glaube nicht, dass er mir gehört. Ich glaube nicht mal, dass er mir jemals gehört hat.
Es ist ein niederschmetternder Gedanke, der mir fast den Magen umdreht. Ich setze mich an den Schreibtisch und kann nichts mit mir anfangen.
Nein.
Ich sitze an Rebeccas Schreibtisch. Wem mache ich etwas vor? Dies ist ihr Leben, ihre Welt. Ich bin ein Eindringling, der ihr den Job gestohlen hat und ihr viel schuldet. Der Gedanke treibt mir das Blut in die Wangen. Ich schließe die Tür und beginne alles in ihrem Büro zu durchstöbern. Ich öffne Bücher, Aktenordner und Zeitschriften und lande einen Volltreffer. Flach gegen die Rückwand eines Regal gestellt, versteckt hinter anderen Büchern, findet sich ein weiteres Tagebuch. Ich ziehe es heraus und beginne zu lesen. Nach einigen Seiten begreife ich, dass sie es benutzt hat, um Ermittlungen wegen des gefälschten Kunstwerks und eines weiteren zu notieren, von denen sie glaubt, dass Mary sie Riptide geliefert habe. Da sind Notizen über Ricco Alvarez, der die Stücke schätzt. Ich starte eine gründliche Google-Suche über Ricco Alvarez und entdecke, dass er als ausgewiesener Experte für einige Kunstrichtungen gilt. In Rebeccas Notizen finden sich keine Hinweise, dass er sich die fraglichen Kunstwerke angesehen hat.
Ich wähle Riccos Nummer. Er geht sofort dran. »Bella …«
»Treffen wir uns im Café?«
»In fünfzehn Minuten.«
Adrenalin durchflutet mich, und ich blättere in den Unterlagen, die Mark mir für Riptide gegeben hat, um die Stücke zu finden, die Rebecca in ihren Notizen aufgelistet hat. Sie sind verkauft worden, gleich nachdem sie fortgegangen oder vielmehr verschwunden ist. Ich übertrage die Notizen vom Papier in den Computer und drucke die Details über die verkauften Stücke aus und auch über neue, die Mary für die nächste Auktion bei Riptide gelistet hat. Dann schiebe ich die ausgedruckten Seiten in meine Aktentasche, greife mir Handtasche und Mantel und wähle im Stehen die Durchwahl von Marks Büro. Er geht nicht ran.
Auf dem Weg hinaus halte ich bei Amandas Schreibtisch inne. »Ich treffe mich nebenan mit einem Klienten. Ist Mark in der Galerie?«
»Nein. Er wird erst nach dem Mittagessen zurück sein, aber ich soll dir ausrichten, dass er dein Treffen mit Ryan für heute Abend abgesagt habe. Er dachte, du würdest vielleicht den Termin für ein neues Treffen selbst aussuchen wollen.«
Ich hasse es, wie sehr mich diese Neuigkeit erleichtert. Ich habe von diesem Job geträumt, von diesem Leben, das jetzt zu einem kleinen Stück Hölle geworden ist.
Mary erscheint auf der gegenüberliegenden Seite von Amandas Schreibtisch. Meine Wangen werden heiß, denn es ist klar, dass sie irgendwie mit Rebeccas Verschwinden zu tun hat. »Ruf mich an, wenn Mark hier erscheint, bevor ich zurückkomme, bitte«, sage ich zu Amanda und eile zur Tür, begierig darauf, mit Ricco zu reden.
Als ich Avas Café betrete, atme ich den Duft von Kaffee und Süßigkeiten ein und schaffe gerade so ein unbeholfenes Winken in ihre Richtung. Ricco ist bereits da, und ich nehme ihm gegenüber Platz und versuche, nicht zu dem Tisch zu schauen, an dem Chris immer sitzt. Aber ich tue es. Ich schaue hin, als würde er auf magische Weise erscheinen, und ich schlucke die Gefühle hinunter, die seine Abwesenheit in mir aufwühlt.
»Haben Sie eine Nummer gefunden, unter der ich Rebecca erreichen kann?«, fragt Ricco drängend.
»Nein. Sorry. Aber ich gehe einer Sache nach, an der sie gearbeitet hat. Hat sie Sie nach zwei gefälschten Gemälden gefragt?« Ich ziehe meinen Aktenordner heraus und zeige ihn Ricco. »Haben Sie sich die da für sie angesehen?«
»Oh ja. Ich erinnere mich daran, dass Rebecca ihre Sorge erwähnt hat, aber sie hat sich nur im Gespräch erkundigt. Sie hat mir keine Unterlagen gegeben, um die
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