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Enthuellung

Enthuellung

Titel: Enthuellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Renee Jones
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beginne durch meine Kundenliste zu blättern, während ich gleichzeitig über das Mittagessen nachdenke. Es ärgert mich, dass meine Gedanken schon wieder zu Chris’ Beziehung mit Mark wandern. Sie sind beide Kontrollfreaks. Beide verkehren in dem Club. Was, wenn sie sich eine Frau geteilt hatten und aneinandergeraten waren? Diese Vorstellung lähmt mich, und ich schiebe sie beiseite. Nein. Das war es nicht. Das würde bedeuten, dass Chris mich in Bezug auf seine sexuellen Präferenzen belogen hat. Oder doch nicht? Er hat mir erzählt, was er bevorzugt. Hat er je gesagt, dass er niemals etwas anderes ausprobiert hat? Chris hat mich nicht belogen, aber ist es möglich, dass er mir nicht die ganze Wahrheit gesagt hat? Ich schlucke. Wer bin ich, zu beurteilen, was er mir zu erzählen hat und was nicht? Ich war auch nicht ganz ehrlich zu Chris, und ich weiß nicht, ob ich es sein kann. Nicht, ohne uns zu zerstören.
    Mein Arbeitstag nähert sich dem Ende, und ich bin im Begriff, meine Sachen zusammenzusammeln. »Bist du bereit, von hier abzuzischen?«, fragt Ralph von meiner Tür aus. »Ich werde dich und Amanda zu euren Autos begleiten.«
    Sowenig ich allein zu meinem Wagen oder vielmehr zu dem von Chris gehen will, habe ich andererseits nicht die geringste Lust, die Fragen zu beantworten, die kommen würden, weil ich den 911er fahre. Ich bedaure es, ihn genommen zu haben. Und glücklicherweise hat der Parkplatz Kameras, und Mark ist noch hier. »Ich muss noch ein paar Dinge mit Bossman besprechen, also geht ohne mich.«
    Amanda erscheint in der Tür. »Dienstags ist angeblich wenig los. Das ist der Grund, warum wir nicht mehr Personal dahaben, aber heute war der Wahnsinn. Wie hast du es geschafft, dass auf einmal so viele Kunden kamen? Sie haben alle nach dir gefragt.«
    »Mark hat mir eine Kundenliste gegeben, die ich abtelefoniert habe. Ich schätze, die Anrufe hatten Erfolg. Leider hat zwar bisher niemand etwas gekauft, aber ich habe große Hoffnungen, dass einige zurückkommen werden.«
    Ich plaudere noch einige Minuten mit ihnen, bis sie schließlich gehen.
    Jetzt kann ich endlich aufbrechen. Mein kalter chinesischer Imbiss zwischen zwei Kunden ist schon ewig her, und die schlaflose vergangene Nacht fordert ihren Tribut.
    »Was genau haben Sie mit mir zu besprechen?«
    Als ich aufschaue, steht Mark in der Tür, seine Krawatte verrutscht und das Haar wirr. Er hatte heute ein Treffen mit mehreren Leuten, das Stunden gedauert hat, und wirkt seltsam abgehetzt. »Die Liste«, antworte ich. »Ich habe gehofft, dass Sie mir sagen könnten, welche unserer Künstler und Kunden vielleicht etwas für Riptide haben.«
    »Ich habe Ihnen am frühen Nachmittag eine Liste mit infrage kommenden Personen geschickt.«
    »Oh. Hm. Ich schätze, ich sollte meine E-Mails checken. Heute haben sich die Kunden hier die Türklinke in die Hand gegeben.«
    »Und doch hatten wir keine Verkäufe.«
    Ich richte mich kerzengerade auf und fühle mich sofort in meine Vergangenheit zurückversetzt, wenn mein Vater und, ja, Michael schnell damit bei der Hand waren, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben, wenn irgendetwas schiefging. Ärger steigt in mir hoch, doch er richtet sich nicht auf Mark. Ich dachte, ich hätte diese Schuldgefühle hinter mir gelassen, aber das habe ich offensichtlich nicht. Entscheiden Sie sich dafür, erfolgreich zu sein, hatte Mark gesagt, und trotzdem versucht er mich dazu zu bringen, einen Fehlschlag zuzugeben, der nicht existiert? Mein Ärger verlagert sich, richtet sich nicht mehr gegen mich. Egal, was dabei herauskommt, ich kann für Mark nicht lügen, wie ich es früher für andere getan habe.
    »Wissen Sie«, sage ich und bin stolz darauf, wie stark meine Stimme ist, wie ruhig mein Blick, »wenn Sie versuchen, mich dazu zu bringen, ›erfolgreich zu sein‹, ist es nicht gerade hilfreich, wenn Sie mein Versagen voraussetzen. Keine Verkäufe heute, das stimmt, aber ich habe mehrere Kunden, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie kaufen werden, und zwar großzügig.«
    Seine Mundwinkel zucken. »Schön zu sehen, dass Sie sich selbstbewusst genug fühlen, um mich an meinen Platz zu verweisen.«
    Meine Augen weiten sich. Habe ich ihn wirklich gerade an seinen Platz verwiesen? Und er hat es mir erlaubt, wirkt sogar amüsiert, obwohl ich kaum glaube, dass er zu einem solchen Gefühl in der Lage ist. Selbstzweifel beschleichen mich, und ich versuche, sie beiseitezudrängen, mir ins Gedächtnis zu rufen, dass er nicht

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