Enthüllung
seinem Schreibtisch nieder. Er war nicht überrascht. Mit einem Besuch von Daly oder einem der anderen Inves t mentBanker hatte er schon seit mehreren Tagen gerechnet. Mitarbeiter von Goldman und Sachs hatten bereits Einzelg e spräche mit Angestellten in den verschiedenen Abteilungen geführt und diverse Aspekte der Fusion diskutiert. Dabei hatten sie es zumeist auf Hintergrundinformationen abgesehen: High-Technology war zwar der Hauptgrund für den Ankauf, aber keiner der Banker verstand viel davon. Sanders erwartete, daß Daly ihn nach den Fortschritten bei der Produktion des Twinkle-Laufwerks fragen würde, vielleicht auch nach dem Korridor.
»Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie sich die Zeit nehmen«, sagte Daly und fuhr sich mit der Hand über die Glatze. Er war ein sehr großer, sehr dünner Mann, der im Sitzen noch länger wirkte und dann nur aus Knien und Ellbogen zu bestehen schien. »Ich hätte Sie gern ein paar Dinge, äh, vertraulich gefragt.«
»Selbstverständlich.«
»Es hat mit Meredith Johnson zu tun«, erklärte Daly etwas verlegen. »Wenn es Ihnen, äh, nichts ausmacht, dann wäre es mir lieber, wenn dieses Gespräch unter uns bliebe.«
»In Ordnung.«
»Ich habe gehört, daß Sie an der Errichtung der Fabriken in Irland und Malaysia maßgeblich beteiligt waren und daß es da eine kleine firmeninterne Kontroverse bezüglich der Durc h führung dieser Projekte gab.«
»Nun ja«, sagte Sanders achselzuckend, »Phil Blackburn und ich waren nicht in allem der gleichen Meinung.«
»Was in meinen Augen für Ihren gesunden Menschenverstand spricht«, bemerkte Daly trocken. »Aber wenn ich es richtig sehe, vertreten Sie in derartigen Disputen den technischen Sachverstand, während andere im Unternehmen, äh, verschi e dene andere Teilbereiche repräsentieren. Kann man das so sagen?«
»Ja, ich denke schon.« Auf was wollte er nur hinaus?
»Nun, in eben dieser Hinsicht würde ich gerne einmal Ihre Ansicht hören. Bob Garvin hat soeben Ms. Johnson befördert – ein Schritt, den viele bei Conley-White sehr begrüßen. Und es wäre sicherlich unfair, sich im vorhinein ein Urteil darüber bilden zu wollen, wie Ms. Johnson ihre neuen Aufgaben innerhalb des Unternehmens wohl erfüllen wird. Umgekehrt müßte ich mir aber Nachlässigkeit vorwerfen lassen, wenn ich mich nicht über ihre Leistungen in der Vergangenheit erkund i gen würde. Verstehen Sie, was ich damit meine?«
»Nicht genau«, gestand Sanders.
»Ich stelle mir die Frage«, erklärte Daly, »wie Sie wohl Ms. Johnsons frühere Leistungen in Hinblick auf die technischen Produktionsvorgänge der Firma einschätzen, insbesondere in Hinblick auf die ausländischen Niederlassungen des Unte r nehmens.«
Sanders versuchte sich zu erinnern. »Ich könnte nicht sagen, daß sie mit diesen Dingen besonders viel zu tun gehabt hat. Vor zwei Jahren kam es in Cork zu arbeitsrechtlichen Auseina n dersetzungen, und sie gehörte zu dem Team, das damals nach Irland flog, um eine Einigung auszuhandeln. Sie war es auch, die in Washington auf Abgeordnete einzuwirken versuchte, um deren Zustimmung zu Einheitstarifen zu erhalten. Und ich weiß, daß sie in Cupertino das Operations Review Team leitete, dessen Mitarbeiter die Pläne für die neue Fabrik in Kuala Lumpur genehmigten.«
»Ja, genau.«
»Aber ich wüßte nicht, daß ihre Tätigkeit darüber hinausg e gangen wäre.«
»Nun gut. Vielleicht hat man mich da falsch informiert«, sagte Daly und schlug die Beine übereinander.
»Was hat man Ihnen denn gesagt?«
»Ohne ins Detail zu gehen: Es wurde die Frage nach Ms. Johnsons Urteilsvermögen aufgeworfen.«
»Verstehe«, sagte Sanders. Wer hatte wohl Daly etwas über Meredith erzählt? Garvin oder Blackburn ganz bestimmt nicht. Stephanie Kaplan? Hundertprozentig sicher konnte man es nicht wissen. Aber Daly hatte zweifellos nur mit Leuten aus der Führungsspitze gesprochen.
»Ich dachte mir«, fuhr Daly fort, »daß Sie möglicherweise eine Meinung über Ms. Johnsons Urteilsvermögen in techn i schen Fragen haben – eine Meinung, die Sie hier selbstve r ständlich streng vertraulich äußern könnten.«
In diesem Augenblick piepste Sanders’ Computer dreimal, und eine Mitteilung blinkte auf:
EINE MINUTE BIS ZUR
VIDEO-DIREKT-VERBINDUNG: DCS/KL
SEN: A. KAHN
EMPF: T. SANDERS
»Ist etwas nicht in Ordnung?« erkundigte sich Daly.
»Nein, nein. Offenbar kommt gleich die Schaltung für eine Videokonferenz aus Malaysia herein.«
»Dann mache ich es kurz
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