Enthüllung
nicht sicher, ob du das durchstehen würdest.«
»Ich glaube, daß ich es schaffen kann.«
»Es wird grauenhaft werden. In ein, zwei Tagen wirst du dir wünschen, du hättest den Job in Austin angenommen.«
»Scheiß drauf!«
»Es wird richtig fies werden, Tom. Du wirst deine Freunde verlieren.«
»Scheiß drauf!«
»Du willst es also durchziehen.«
»Genau.« Sanders warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Susan, ich möchte, daß du die Kinder nimmst und für ein paar Tage nach Phoenix zu deiner Mutter fliegst. Wenn du jetzt heimfährst und packst, schaffst du den Flug um 20 Uhr ab Seatac. Ich habe drei Plätze für euch gebucht.«
Sie starrte ihn an, als wäre er ein Fremder. »Du willst es also wirklich tun …«, sagte sie ganz langsam.
»Ja, das will ich.«
»O Mann!« Sie beugte sich hinab, nahm ihre Handtasche vom Fußboden und holte ihren Terminkalender heraus.
Er sagte: »Ich will nicht, daß ihr, du und die Kinder, mit reingezogen werdet. Niemand soll euch eine Fernsehkamera vors Gesicht halten. Also, beeil dich und fang gleich an zu packen.«
»Na gut. Warte.« Sie fuhr mit dem Zeigefinger die Termine entlang. »Das kann ich verschieben … Ah, ja … das auch.« Sie blickte auf. »Ja, ich kann für ein paar Tage weg.« Sie sah kurz auf ihre Armbanduhr und sagte: »Ich gehe gleich nach Hause und packe.«
Er stand auf und verließ mit ihr zusammen das Restaurant. Es regnete; ein graues, trübes Licht hing in den Straßen. Susan hob den Blick zu ihrem Mann und küßte ihn auf die Wange. »Viel Glück, Tom. Sei vorsichtig!«
Er sah ihr an, daß sie Angst hatte. Auf einmal war ihm auch bang.
»Ich schaffe das schon.«
»Ich liebe dich«, sagte sie. Dann ging sie rasch weg, hinaus in den Regen. Er blieb noch kurz stehen, um zu sehen, ob sie sich umdrehen würde, aber sie tat es nicht.
A uf dem Weg zurück in sein Büro wurde ihm plötzlich b e wußt, wie einsam er sich fühlte. Susan ging weg. Die Kinder gingen weg. Er war jetzt ganz allein. Er hatte erwartet, E r leichterung zu verspüren, weil er nun ohne Einschränkungen handeln konnte, wie er es für richtig hielt; statt dessen fühlte er sich verlassen und bedroht. Fröstelnd schob er die Hände in die Taschen seines Regenmantels.
Das Gespräch mit Susan hatte er nicht gut hingekriegt. Jetzt flog sie nach Phoenix und grübelte über seine Antworten nach.
Warum hast du mir nichts davon erzählt?
Er hatte diese Frage nicht gut beantwortet. Es war ihm nicht gelungen, die widerstreitenden Gefühle zu beschreiben, die ihn gestern abend beherrscht hatten. Dieses Gefühl, etwas Unsa u beres zu tun, dazu das Schuldgefühl und der Eindruck, irgend etwas falsch gemacht zu haben. Obwohl er natürlich gar nichts falsch gemacht hatte.
Du hättest darüber reden können.
Nein, er hatte nichts falsch gemacht. Aber warum hatte er es ihr dann nicht erzählt? Darauf wußte er keine Antwort. Er kam an einem Laden für Zeichenbedarf vorbei und an einem G e schäft für Badezimmereinrichtungen, das Waschbecken und Badewannen aus weißem Porzellan im Schaufenster hatte.
Du hast es mir nicht erzählt, weil du es nicht erzählen wolltest.
Aber das war Unsinn. Warum hätte er es ihr nicht erzählen wollen? Plötzlich wurden seine Gedanken wieder durch Bilder der Vergangenheit unterbrochen: der weiße Strapsgürtel … eine Schüssel mit Popcorn … die bunte Glasblume an seiner Wo h nungstür.
Hör bloß mit diesem Quatsch auf, Tom! Mit mir hat das nicht das geringste zu tun.
Blut im weißen Waschbecken, Meredith hatte darüber gelacht. Warum lachte sie? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, es war ein aus dem Zusammenhang gerissenes Bild. Eine St e wardeß stellte ein kleines Tablett mit Essen vor ihn hin. Ein Koffer auf dem Bett. Der Ton des Fernsehers abgeschaltet. Die bunte Glasblume, grelles Orangerot und Violett.
Hast du mit Max gesprochen?
Damit hatte sie recht, fand er jetzt. Er mußte mit Max spr e chen. Erst Blackburn die schlechte Nachricht überbringen und gleich danach mit Max sprechen.
U m halb drei war Sanders wieder in seinem Büro. Zu seiner Überraschung hatte Blackburn dort auf ihn gewartet. Er stand hinter Sanders’ Schreibtisch und telefonierte. Als er Sanders sah, legte er sofort auf. Er wirkte ziemlich schuldbewußt. »Oh, Tom, sehr gut!« Er trat hinter dem Schreibtisch hervor. »Wie hast du dich entschieden?«
»Ich habe sehr gründlich darüber nachgedacht«, sagte Sanders und schloß die Tür zum
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