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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Testberichte, alle Untersuchungsergebnisse, alle Vorfälle, die peinlich genau notiert waren und ein so vielfältiges, zerrissenes Bild des Mädchens Gisela ergaben, daß jedem Psychiater nur eine sehr subjektive Entscheidung übrigblieb. Man konnte über Gisela befinden: Bedenklich, oder auch: Unbedenklich; Anstalt, oder auch: Entlassung; ja oder nein! Und beides war gleich gefährlich. Mit einem Ja konnte ein Gesunder lebendig begraben werden … mit einem Nein konnte ein Irrer in die Freiheit gesetzt werden, der dann auf einmal Amok zu laufen begann. In beiden Fällen lag die Verantwortung allein beim Arzt. Eine Verantwortung, die ihm keiner abnahm, für die ihn aber jeder anklagen würde, wenn sie falsch war. Wer konnte es da Professor v. Maggfeldt übelnehmen, wenn er den sicheren Weg gewählt und sich bei den vielen rätselhaften Zügen im psychiatrischen Bild Gisela Peltzners für einen Aufenthalt in der Anstalt entschieden hatte.
    Dr. Pade hatte dem Professor nach nochmaligem, gründlichem Studium aller aufgezeichneten Details über Gisela nicht unrecht geben können. Aber es hatte nichts daran geändert, daß er, Pade, weiterhin starke Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose hegte. Vielleicht hielt Dr. Budde den Schlüssel zur Wahrheit in der Hand …
    Budde öffnete ihm nach zweimaligem Klingeln. Erstaunt sah er den Arzt an, trat dann zurück und gab ihm den Weg frei.
    »Herr Pade?« sagte er langsam. Angst trat in seine hellen Augen. Sein Jungengesicht wurde blaß. »Ist … ist etwas mit Gisela? Ist sie jetzt wirklich krank geworden?«
    Oberarzt Dr. Pade ging an Budde vorbei in den kleinen Wohnraum. Es roch nach kalter Zigarettenasche und nach Alkohol. Der Tisch war mit Papieren übersät … Pade sah, daß es Zeitungsausschnitte waren. Alte, zum Teil vergilbte Blätter. Einige Balkenüberschriften schrien ihm entgegen. Zehn Jahre gesund im Irrenhaus! Die Tragödie eines Mannes! Nach sieben Jahren frei! Ehefrau ins Irrenhaus abgeschoben!
    Dr. Pade nickte und zeigte auf die Zeitungsausschnitte.
    »So etwas gibt's! In der Kriminalgeschichte sind derartige Verbrechen nicht unbekannt. Und auch Irrtümer sind vorgekommen. Leider hat es immer sehr lange gedauert, bis man sie korrigierte. Leider …«
    Dr. Budde schloß die Zimmertür. »Darf ich Ihnen etwas anbieten, Herr Pade?« fragte er heiser. »Einen Cognac? Eine Zigarre?«
    »Danke, Herr Budde, mir ist im Augenblick weder nach dem einen noch nach dem anderen … Wir wollen offen, nüchtern miteinander reden …«
    »Wie geht es Gisela?«
    »Gut.«
    »›Gut‹ dürfte ja wohl ein falscher Ausdruck sein. Wie kann es einem Gesunden unter hundert Irren gutgehen?«
    »Ihre Braut hat sich an ihre Umgebung gewöhnt. Wenn sie wirklich gesund ist, so muß ich bewundern, mit welcher Kraft sie diese Situation durchsteht.«
    »Sie sind nicht überzeugt, daß Gisela gesund ist!« rief Dr. Budde. Er goß sich mit zitternden Händen einen Cognac ein. »Aber warum sind Sie dann zu mir gekommen?«
    »Eben um Klarheit zu gewinnen. Im übrigen habe ich Fräulein Peltzner versprochen, Sie zu besuchen.«
    »Sie hat nach mir gefragt?« Budde goß den Cognac wie ein Verdurstender in sich hinein. »Was hat sie gesagt?«
    »Ich möchte zu Ihnen gehen. Und Sie grüßen. Alles andere wüßten Sie schon.«
    Dr. Budde setzte das Glas auf die Tischplatte. »Wenn Sie wüßten, wie hilflos ich bin …«, sagte er leise. »Ganz allein stehe ich da, wie David vor dem Goliath … nur habe ich nicht einmal eine Schleuder …«
    »Sie glauben, daß hier ein Verbrechen vorliegt?«
    »Ich weiß es! Aber ich kann es nicht beweisen. Noch nicht!«
    »Wissen Sie, daß das bedeutet: ein Verbrechen, bei dem die Ärzte Hilfestellung geleistet haben! Namen wie Maggfeldt!« Dr. Pade knüllte einige der Zeitungsausschnitte zusammen. »Geben Sie mir auch einen Cognac, Herr Budde … mir geht der Gedanke in die Knie!«
    Stumm tranken sie. Zwischen ihnen stand eine Wand des Entsetzens, nur sah sie auf jeder Seite anders aus.
    »Was für Beweise haben Sie schon gesammelt?« fragte Dr. Pade schwer atmend. »Haben Sie überhaupt etwas?«
    »Einen Aktendeckel voll Zahlen. Für einen logisch Denkenden reicht es … aber in diesem Falle kommt man mit Logik nicht weiter.« Dr. Budde schob seine berühmte Mappe vor Dr. Pade. »Hier finden Sie alle Schulden, die Ewald Peltzner in der Zeit, als sein Bruder noch lebte, heimlich machte und durch Falschbuchungen, betrügerische Käufe, fingierte Bankkonten und andere

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