Entmündigt
nicht, daß diese Beweise nicht handfest genug seien, um das abscheuliche Verbrechen an Gisela aufzudecken.
Kaum hatten sie sich gesetzt, holte Budde wieder seine Mappe hervor und legte sie auf den Tisch. Hartung verzog das braungebrannte Gesicht.
»Was sollen die ollen Kamellen, was steht schon in deinen Akten? Peltzner hatte 150.000 Mark Schulden! Gut! Peltzner hatte drei Geliebte, denen er eine Wohnung einrichtete und die er später abfand. Dazu fälschte er die Spesenrechnungen und kaufte nicht vorhandene Patente. Gut! Aber davon abzuleiten, daß er seine Nichte bewußt für irr erklären ließ, ist absurd und nimmt dir kein Gericht ab. Du kannst mit Schuldsummen keine fachärztlichen Urteile revidieren! Hinzu kommt, daß sich jeder Mensch irren kann und darf, nur nicht der Sachverständige und der Richter … Ihnen mit deinen Unterlagen einen Irrtum nachweisen zu wollen ist fast, als versuchtest du, einen Großbrand mit Spucke zu löschen. Wir müssen es geschickter anfangen!«
»Leicht gesagt – wie denn?«
»Es ist gemein von mir, aber es geht nicht anders: Mit Hilfe von Monique – ohne daß sie es natürlich weiß. Ich gelte als der kommende Schwiegersohn Peltzners. Ich soll in die Werke eintreten!«
»Du? Du bist wohl nicht bei Groschen?« Dr. Budde klappte die Mappe mit den Zahlenkolonnen mit lautem Knall zu. Besorgt sah er seinen Freund an, der ihm noch bei ihrem Treffen in Calais sein Geheimnis vorenthalten hatte.
»Du liebst Monique?«
»Hm … ja …«
»Verzeih … aber sie ist ein kompletter Hohlkopf.«
»Zugegeben! Aber dieses Köpfchen sitzt auf einem paradiesischen Körper. Unterschätze das bitte nicht völlig. Wozu brauche ich außerdem eine kluge Frau? Klug bin ich allein, zumindest reicht es für uns beide. Aber wenn ich nach einem langen Tag in der Praxis und im Gerichtssaal nach Hause komme, will ich mich erfrischen an ihrem Anblick, an ihrer Fröhlichkeit, an ihrer Liebe, an ihrer kindlichen Bewunderung, an …«
»Nun hör schon auf mit diesem Katalog von Moniques ehelichen Qualitäten!« Gequält wandte sich Dr. Budde zur Seite. »Und während du dich damit aufhältst, diese Vorzüge zu entdecken, sitzt Gisela weiter unter Irren …«
»Es ist schrecklich, aber wir können es nicht ändern. Es ist leichter, eine Gefängnis- oder Zuchthausstrafe rückgängig zu machen, als zu beweisen, daß jemand, der als Irrer amtlich abgestempelt wurde, wirklich gesund ist. Erschwerend kommt momentan hinzu, daß die Bevölkerung wieder einmal Amok läuft. Gerade aus der Maggfeldtschen Anstalt sind zwei Psychopathen entsprungen und haben zwei Menschen ermordet. Und natürlich sind die Irrenärzte als die Schuldigen hingestellt worden. Was glaubst du, was geschieht, wenn wir jetzt kommen und beweisen wollen, daß eine Insassin dieser Anstalt, aus der die Mörder kommen, gar nicht irr ist, sondern gesund und harmlos und die Freiheit verdiente? Die amtlichen Stellen haben an einem Skandal genug. Zunächst gilt es doch, das Vertrauen wiederzugewinnen … dafür opfert man gerne einen Menschen, auch wenn er gesund ist und Gisela Peltzner heißt!«
Dr. Hartung lehnte sich zurück und klopfte seinem Freund auf die Schulter. »Wir müssen einen längeren Atem haben, Klaus … wir müssen … sieh es ein!«
»Ich will noch einmal mit Maggfeldt sprechen!« sagte Dr. Budde stumpf.
»Auch das würde ich nicht tun. Warten wir ab!« Dr. Hartung stand auf, ging an Buddes kleine Hausbar und schüttete zwei Gläser randvoll mit Cognac. Er trug sie zurück zum Tisch und drückte seinem widerstrebenden Freund das Glas in die Hand.
»Trink, alter Esel!« sagte er. »Als Schwiegersohn Peltzners werde ich wie ein Maulwurf sein. Ich grabe das Feld schon um … verlaß dich darauf … aber auch ein Maulwurf braucht seine Zeit.«
An einem freien Nachmittag fuhr Oberarzt Dr. Pade in die Stadt zu Klaus Budde.
Er hatte über diesen Schritt nachgedacht. Das Versprechen, das er Gisela nach ihrem Erwachen aus dem Dauerschlaf impulsiv gegeben hatte, mußte eingehalten werde. Das war klar. Ebenso klar war aber auch, daß es ein Verrat an Professor v. Maggfeldt, seinem Lehrer und Chef, bedeutete. Auch wenn man es mit einer moralischen Verpflichtung Gisela gegenüber erklären konnte, so blieb es doch ein Verrat, es bedeutete, daß er sich anschickte, Maggfeldt in den Rücken zu fallen.
Pade hatte, nachdem er Gisela den Besuch bei Budde versprochen hatte, immer wieder die Akte ›G. Peltzner‹ durchgelesen, alle
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