Entmündigt
er es mir … vielleicht ist er ganz plötzlich da. Es kann auch noch Wochen dauern …«
»Aber er kommt, nicht wahr?« Gisela drückte die Hände flach gegen ihre Schläfen. Es war, als zerspringe ihr Kopf. »Herr Doktor Pade? Sie vertrösten mich nicht bloß?«
»Sie müssen Geduld haben … und glauben. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
»Ich werde die Zähne zusammenbeißen und warten. Und wenn es noch Monate dauert … ich muß nur wissen, daß dieses Warten nicht umsonst ist.« Sie schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte. »Wenn alles umsonst wäre … ich würde bestimmt wahnsinnig. Bestimmt … Herr Doktor …«
Dr. Pade hörte, wie die alte Schwester aus der Pavillonküche kam. Sie brachte die abendlichen Schlaftabletten für die Kranken.
»Ich werde Ihnen Nachricht geben«, sagte er schnell. »Sie müssen jetzt nur allen Mut zusammennehmen.«
»Ich werde ganz ruhig sein …« Sie sah ihn aus dankbaren, aber in der Tiefe doch mißtrauischen Augen an. »Und ich werde stark sein …«
»Gute Nacht, Fräulein Peltzner …«
»Gute Nacht, Herr Doktor.«
Die kleine Wohnung Dr. Buddes glich dem Hauptquartier einer geheimen Verschwörung. Es wurde Generalstabsarbeit geleistet, mit Karten, Telegrammen, Flugkarten, Hotelzimmern und neuen Banknoten.
Dr. Hartung hatte hierbei die Beschaffung von zwei der wichtigsten Dinge übernommen, die den großen Plan überhaupt erst möglich machen: Geld und Paß.
Mit dem Paß hatte er weniger Schwierigkeiten. Bevor Gisela gewaltsam in die ›Park-Klinik‹ gebracht worden war, hatte sie im letzten Augenblick vor der großen Auseinandersetzung, der ihr verzweifelter Fluchtversuch und die willenlos machende Injektion Dr. Vrobels folgten, ihre persönlichen Papiere versteckt. In einem Zwischenfach des Kleiderschrankes lagen sie, und Hartung erfuhr es über Dr. Pade, der Gisela danach fragen mußte. Bei einem Besuch in der Peltzner-Villa am frühen Nachmittag, an dem Ewald Peltzner im Büro war und Monique auf dem zugefrorenen großen Schwimmbecken im Garten Schlittschuh lief, konnte Hartung in aller Ruhe die Papiere suchen und an sich nehmen.
Anders lag es bei der Beschaffung des Geldes. Eine Summe von mindestens 20.000 Mark mußte aufgebracht werden, denn Flugkarten und das Leben in Tunis – auf einige Monate berechnet – verschlangen bei knappster Berechnung eine für Dr. Budde geradezu traumhafte Summe.
Hier kam der entlassene Butler René zu Hilfe, ohne es selbst zu wissen. Ewald Peltzner hatte von ihm einen Brief erhalten, unverschämt, frech und erpresserisch. René schrieb nichts Bestimmtes, aber Peltzner glaubte zwischen den Zeilen zu lesen, daß Anna Fellgrub mehr gesagt hatte, als für die Familie erträglich war.
»Schaffen Sie mir diesen Gigolo vom Hals!« sagte er deshalb zu seinem zukünftigen Schwiegersohn Dr. Hartung. »Aber billig, mein Lieber! Und ohne Skandal vor allem!«
»Das sind zwei Faktoren, die sich nicht miteinander vertragen«, antwortete Dr. Hartung. »Entweder wir zeigen diesen René an …«
»Das möchte ich unter allen Umständen vermeiden.«
»… oder wir zahlen! Einmal anständig, und dann ist Schluß! Ich werde es diesem René schon beibringen.«
Drei Tage verhandelte Dr. Hartung mit René, dem Ex-Butler. Er tat es am dritten Tag roh und erfolgreich.
»Hör mal, mein Junge«, sagte er. Sie saßen an einem runden Tisch in einer kleinen Bar und tranken einen Whisky. »Hier sind 10.000 Mark! Und damit ist Schluß! Wir leben in Deutschland, gewiß, aber auch hier kann ich einige Typen engagieren, die dich für ein Handgeld von 5.000 Mark verunglücken lassen. Ich würde mir das überlegen, René. Dein Schädel ist zu süß, um eines Nachts eingeschlagen zu werden … Wir verstehen uns?«
»Und wenn ich jetzt zur Polizei gehe, was dann?«
»Ja, was dann, mein Herzchen?« Dr. Hartung trank lächelnd seinen Whisky aus. »Dann singst du, nicht wahr. Aber es wird dein letztes Lied sein. Denn was auch nach deinem Geplapper geschieht, es gibt nichts auf der Welt, was dich schützen kann! Und wenn's ein Jahr dauert … ich finde dich. Also sei klug, mein Süßer, nimm die 10.000 Eierchen und verschwinde. Und wenn ich dann noch einen Pieps von dir höre, gebe ich keine fünf Pfennig mehr für deine Gesundheit. Verstanden?«
René verstand. Dr. Hartung war eine Gefahr. René nahm die 10.000 Mark und ging. Dr. Hartung aber rechnete mit Ewald Peltzner am Abend noch 40.000 Mark ab.
»Gut gemacht, mein Junge«, sagte
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