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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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können.«
    Ewald Peltzner nickte. Aber er zögerte noch einmal, als der Professor schon an der Tür stand. »Es ist das erstemal, daß ich mich unter … Irre begebe«, sagte er leise. »Kann auch nichts geschehen?«
    »Aber nein!« Maggfeldt lachte leise. »Auf der Straße sind Sie durch die Autos mehr gefährdet als unter tausend Geisteskranken …«
    Daß sie sich dem Kinosaal näherten, hörten sie schon von weitem. Gelächter, unartikuliertes Gekreische und Stimmengewirr flog ihnen entgegen. Ewald Peltzner blieb wie angewurzelt stehen.
    »Was ist denn das?«
    »So etwas kommt vor«, antwortete Maggfeldt. »Es hört sich schlimmer an, als es ist. Das sind die leicht Verblödeten und ein paar Schizophrene, die beim Fernsehen mitspielen. Keine Angst, Herr Peltzner!«
    Sie waren am Eingang zum Saal angekommen. Peltzner befiel eine dumpfe Ahnung von dem, was sich drinnen abspielen mußte.
    Als Maggfeldt eine der kleinen Seitentüren zu einem Spalt geöffnet hatte, winkte er Ewald Peltzner heran.
    »Ihre Nichte sitzt in der vierten Reihe. Sie können sie ganz deutlich sehen. Sie hat eine rote Wolljacke an.«
    Der Saal war etwa zehn Meter breit und doppelt so lang. Die zwölf quer laufenden Bankreihen waren gut zur Hälfte besetzt. Obwohl genügend Platz zur Verfügung stand, drängten sich die geisteskranken Frauen auf den vorderen Bänken zusammen. Die einen fuchtelten mit den Armen in der Luft herum, andere spuckten um sich, glotzten stumpfsinnig auf den flimmernden Bildschirm, wieder andere sangen mit, rauften den vor ihnen sitzenden Frauen die Haare oder kicherten. Eine üppige Frau hatte sich die Bluse aufgerissen und ging vor dem Fernsehapparat hin und her. Manchmal blieb sie stehen und kehrte sich stolz den anderen zu. In dem Augenblick, in dem Peltzner durch den Türspalt sah, war eine andere, ältere, schon weißhaarige Frau aufgesprungen und hatte den Rock zu einer Verrichtung gerafft. Zwei Schwestern hatten Mühe, sie aus der Bankreihe zu ziehen.
    Mitten in dieser Hölle saß Gisela Peltzner. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet, den Kopf mit den aufgesteckten blonden Haaren hoch erhoben und sah auf den Bildschirm und die Sängerin, die dort einen Schlager sang. Es war, als wäre um sie herum eine unsichtbare Wand aufgerichtet worden, als ginge das Geschrei und Gekeife der anderen Frauen an ihr vorbei, als höre sie es überhaupt nicht. Aber die Starrheit und die Blässe ihres Gesichtes verrieten, wie schmerzhaft deutlich ihre Umwelt auch für sie vorhanden war.
    Ewald Peltzner zog die Tür mit einem Ruck zu und lehnte sich mit zitternden Knien an die Wand.
    »Wie sie das aushält … wie das überhaupt ein Mensch aushält …«, stotterte er. Jetzt spielte Ewald Peltzner nicht mehr. Er hatte seiner eigenen Gemeinheit schaudernd ins Gesicht gesehen. Er hatte gesehen, wohin Gisela durch seine Niedertracht gekommen war, und diese Erkenntnis war so schrecklich, daß sich seine Angst zur Panik steigerte, Gisela könne aus dieser Hölle entlassen werden und zurückkehren in die Welt. Zurückkehren, um Rache zu nehmen. Und es würde keine Rache geben, die hart genug war, dieses Grauen zu sühnen.
    »Es sind die Harmlosen, die Sie gesehen haben«, sagte Professor v. Maggfeldt und streckte die Hände in den weißen Kittel. »Wenn ich Ihnen die Station mit den schweren Fällen zeigen soll …«
    »Um Gottes willen – nein! Das kann doch kein Mensch sehen …«
    In der Nacht träumte Peltzner, er sei einer der Insassen des Kinosaales, der bespuckt wurde und andere bespucke, und immerfort fühlte er Giselas große, ernste Augen anklagend auf sich ruhen.
    Schon am Tag seiner Ankunft in St. Tropez begegnete Dr. Hartung der schönen Monique Peltzner. Er hatte sie nie vorher gesehen, aber Dr. Budde hatte ihm ihre hervorstechendsten Eigenheiten genannt: schwarzhaarig, auffallend gut gewachsen, herausfordernd, einen Zug von Dummheit im hübschen Puppengesicht und stets auf der Suche nach Männern. An diesen Merkmalen erkannte er sie.
    Mit gelöstem Haar, in einem knappen weißen Bikini, die Hände im Wasser nachziehend, trieb sie träumerisch auf einem Gummifloß vor dem Strand in einer schützenden Felsenbucht.
    Dr. Hartung stand am Strand und sah hinüber auf das Gummifloß. Er hatte Schwimmflossen an den Füßen, die Tauchermaske auf die Stirn geschoben und eine leichte Harpune in der Hand. Sein von Natur aus brauner, muskelbepackter Körper glänzte von eingeriebenem Fett. Er hatte einen Ausflug um die Felsen vor

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