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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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stand. Die Neue, die nicht mit den anderen hatte mitgehen wollen. Eigentlich ging sie ihn nichts an, aber er interessierte sich trotzdem für sie. Sie hatte etwas Besonderes an sich. Sie hielt sich abseits, war kein Teil der Herde. Aber nicht weil sie schwach gewesen wäre. Nein, das spürte er ganz genau: Das Gegenteil war der Fall. Sie war stark. Sie hatte Biss.
    Er lächelte. Er mochte solche Eigenschaften an seiner Beute. Eine Herausforderung. Etwas, woran er sich abarbeiten musste. Etwas, das es zu brechen galt.
    Er hätte wegfahren sollen, aber er konnte den Blick nicht von ihr losreißen. Sie war nicht wie die anderen. Er spürte Intelligenz, sogar Schläue. Allein aufgrund der Art und Weise, wie sie dastand, und ihrer Körpersprache, während sie telefonierte. Vorerst konnte er nichts unternehmen, aber er würde sie sich merken. Und eines Tages, zu einem Zeitpunkt, den allein er bestimmte, würde er wiederkommen.
    Und dann würde er seinen Spaß mit ihr haben.
    Er wollte gerade den Motor anlassen, als ein Taxi neben der Frau hielt. Sie beugte sich vor und wechselte ein paar Worte mit dem Fahrer. Der war ganz und gar nicht glücklich mit dem, was sie ihm zu sagen hatte. Es würde zum Streit kommen. Er lehnte sich zurück und beobachtete die Szene. Das versprach interessant zu werden. Aber noch bevor irgendetwas passieren konnte, hielt ein zweites Auto hinter dem ersten und der Fahrer stieg aus. Er wusste auf Anhieb, dass der Mann ein Polizist war. Natürlich kannte er ihn nicht persönlich, aber Typen wie er sahen alle gleich aus.
    Der Taxifahrer, noch immer sichtlich verstimmt, fuhr davon, die Frau wurde von dem Zivilfahrzeug mitgenommen.
    Interessant. Merkwürdig. Er beschloss, sie im Auge zu behalten. Er würde sie nicht vergessen.
    Nun, da ihn hier nichts mehr hielt, ließ er endlich den Motor seines Wagens an und fuhr los.
    Er hatte Witterung aufgenommen.
     

10
     
    Es war fast Mittagszeit, als Phil Brennan mit seinem Audi von der Hauptstraße abbog. Mit der unerbittlich tickenden Uhr im Hinterkopf hatte er während der ganzen Fahrt nach Braintree die gesetzlich erlaubte Höchstgeschwindigkeit bis zum Letzten ausgereizt. Aber das Martinshorn hatte er nicht eingeschaltet.
    Das Navigationsgerät meldete sich mit der Mitteilung, dass das gewünschte Fahrtziel erreicht sei.
    Clayton Thompson schaltete das Gerät aus.
    »Ich hasse diese Dinger«, knurrte er.
    »Und ich dachte, so was würde Ihnen Spaß machen. Ich weiß doch, wie sehr Sie elektronisches Spielzeug lieben.«
    Clayton zuckte mit den Achseln. »Schon, aber diese hochnäsigen Stimmen kann ich auf den Tod nicht ausstehen. Als ob die Bosse sie extra installiert hätten, um uns hinterherzuspionieren. Damit wir uns immer brav an die vorgegebene Route halten. Und wenn wir mal eine Abkürzung nehmen wollen oder einen besseren Weg kennen, sagen sie uns, dass wir sie nicht benutzen dürfen, weil sie es besser wissen.«
    Phil lächelte düster. »Clayton, ich glaube, Sie haben soeben eine Metapher für die Polizeiarbeit des einundzwanzigsten Jahrhunderts entdeckt.«
    Er blickte durch die Windschutzscheibe nach vorn. Sie befanden sich in einem Industriegebiet zwischen Colchester und Braintree, direkt an der A12. Niedrige Gebäude aus Backstein und Wellblech säumten die Straße und erstreckten sich bis zur Eisenbahntrasse, auf der die Züge der Linie London - East Anglia verkehrten. Sie hatten vor einem Tor aus Maschendraht gehalten, auf dem der Firmenname
B & F Altmetalle
zu lesen war. Hinter dem Tor befand sich ein einstöckiges Gebäude, auf dessen Vorplatz zwei riesenhafte Kräne sowie mehrere Lkws standen. Etwas abseits parkten einige Pkws. Im vorderen Bereich des Hofs lagen überall metallene Behälter herum: alte Gasflaschen, Feuerlöscher. Weiter hinten befanden sich einige aus alten Eisenbahnschwellen errichtete Container, in den verschiedene Arten von Altmetall lagerten: Rohre und Draht in dem einen, ausgediente Elektrogeräte in einem anderen. Einer der Kräne war in Bewegung. Am Ende seines Schwenkarms baumelte ein Greifer. Phil und Clayton sahen zu, wie er eine riesige Ladung Schrott aus einem der Container griff, dann langsam herumschwang und seine Last auf der Ladefläche eines Lkw ablud.
    Phil blickte Clayton an und stellte den Motor ab.
    »Kommen Sie schon«, sagte Clayton beim Aussteigen. »Los geht's.«
    »Sie haben recht«, sagte Phil und folgte ihm. »Wir sollten keine Zeit verlieren.«
    Clayton blieb stehen. »Mit Zeit hat das nichts

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