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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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auf, noch während er ihr dankte. Sie konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken. Neugier und Aufregung wuchsen. Um was für einen Fall es sich auch handelte, er musste schlimm sein. Schließlich war sie auf psychosexuelle Verhaltensstörungen spezialisiert.
    Doch dann fiel ihr etwas ein, das ihre Vorfreude jäh dämpfte: Phil. Sie würde mit Phil zusammenarbeiten müssen.
    Sie hatte versucht, ihn zu vergessen. Sich auf ihre Beziehung mit Tony zu konzentrieren und auf das Baby. Aber Fenwicks Anruf hatte ihn wieder in ihr Leben zurückgeholt.
    Als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte sie vermutet, dass er Rugby spielte, weil er so breite Schultern hatte. Allerdings hatte sie bald herausgefunden, dass ein solcher Sport gar nicht zu ihm passte. Im Gesicht trug er seine schwere Kindheit und Jugend zur Schau: die Nase, die gebrochen und gerichtet worden war, die kleinen Narben von Prügeleien, die nur sichtbar wurden, wenn er wütend war. Aber es waren die Augen, an die sie sich noch am besten erinnern konnte. Augen, die sie sofort in ihren Bann gezogen hatten. Melancholische Dichteraugen. Und er konnte zuhören. Wenn sie sprach, schaute er sie immer aufmerksam an, und zu ihrer Überraschung erinnerte er sie oft mehrere Tage nach einer Unterhaltung an etwas, was sie gesagt hatte. Es war kein Trick, nichts Aufgesetztes. Er war ganz einfach so. Sie konnte sich vorstellen, dass eine solche Eigenschaft für einen Detective sehr nützlich war, aber bei ihr hatte es noch eine ganz andere Wirkung gehabt: Sie hatte sich begehrt gefühlt. Als sei sie etwas ganz Besonderes.
    Kein Wunder also, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Und jetzt würde sie wieder mit ihm zu tun bekommen. Nun, diesmal würden die Dinge anders laufen. Sie mussten anders laufen. Ben Fenwick nahm sie ihre schrecklichen Erlebnisse mit Fletcher vielleicht nicht länger übel. Was aber Phil anging, so sah die Sache anders aus.
    Genau in diesem Augenblick hielt das Taxi neben ihr. Sie teilte dem Fahrer mit, dass er weiterfahren könne. Er habe sie zu lange warten lassen, sie brauche ihn nun nicht mehr. Der Fahrer stieg aus und begann mit ihr zu diskutieren, doch die Ankunft eines zivilen Polizeifahrzeugs brachte ihn zum Schweigen.
    Marina stieg auf der Beifahrerseite des Polizeiwagens ein. Vielleicht war dieser Fall genau das, was sie brauchte, um sich von ihren eigenen Problemen abzulenken.
     

9
     
    Er sah sie hineingehen, und er sah sie wieder herauskommen. Sie bemerkten ihn nicht, wussten nicht einmal, dass er da war. Völlig ahnungslos. Sie waren sich ihres Platzes, ihrer eigenen Wichtigkeit in der Welt so sicher. Jede Einzelne von ihnen in ihrer kleinen schützenden Seifenblase. Schon bald würden sie herausfinden, wie vergänglich sie in Wirklichkeit waren. Oder zumindest eine von ihnen.
    Er wusste, dass sie ihn nicht sehen konnten. Dafür war er zu klug. Das erfüllte ihn mit Stolz. Er saß in seinem Wagen auf dem Parkplatz vor Leisure World in Colchester an einer Stelle, die ihm freien Blick auf den Eingang gewährte und doch gerade so weit von ihm entfernt war, dass er keine Aufmerksamkeit erregte. Er beobachtete sie, wie sie schwatzten und lachten, als sie aus dem Gebäude traten. Wie sie ihre dicken Bäuche vor sich herschoben.
    Wandelnde Brutkästen, allesamt. Wenn er es so wollte.
    Er hatte die Liste gelesen und wusste genau, welche als Nächste dran war. Kannte die Reihenfolge auswendig.
    Ihm selbst ging es gar nicht um die Babys. Die waren ihm gleichgültig. Es ging einzig und allein um die Jagd. Der Plan. Die Vorbereitungen. Das Nachstellen. Der Kitzel. Das Töten. Er war immer schon gern auf die Jagd gegangen. Welches Tier er jagte, spielte dabei keine Rolle.
    Da war sie, seine nächste Beute. Sie war auf dem Gehsteig stehengeblieben und unterhielt sich mit einer anderen Frau aus dem Yogakurs. Deren Bauch war noch nicht so dick, man konnte kaum erkennen, dass sie schwanger war. Seine Beute wollte, dass die Neue mitkam. Aber die Neue mochte nicht. Seine Beute schien deswegen allerdings nicht allzu betrübt, sie ging einfach mit ihrer Gruppe davon.
    Geradewegs an seinem Wagen vorbei. Nicht eines Blickes würdigten sie ihn. Er grinste. Er war unsichtbar, ein Gott mit der Macht über Leben und Tod.
    Sie stieg in ihren Wagen und fuhr los.
    Ihr zu folgen war unnötig. Er wusste, wohin sie wollte. Er würde sie später einholen. Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit auf die zurückgebliebene Frau, die immer noch auf dem Parkplatz

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