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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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sie auf den schlafenden Säugling herab. Zum Arzt konnte sie mit ihm nicht gehen, das wusste sie. Sie hasste Ärzte, mit ihnen hatte sie ihr ganzes Leben lang nur schlechte Erfahrungen gemacht. Aber was dann? Musste es vielleicht gefüttert werden? Sie sah auf die Uhr. Nein. Gewickelt? Riechen konnte sie nichts. Sollte sie es auf den Arm nehmen? Ja. Das schien ihr eine gute Idee zu sein. Und dann weiter? Es halten. Wieso? Weil Mütter das so machten, rief sie sich ins Gedächtnis. Weil dadurch alles wieder gut werden würde.
    Sie hob das reglose Neugeborene aus dem Bettchen. Streichelte seine Wange. Sie fühlte sich kalt an, und seine Haut war klamm. Als würde Hester die Wände hinter sich streicheln.
    Sie drückte das Baby an sich. Wärme. Das war es, was es brauchte. Wärme. Also kletterte sie ins Bett, das Baby fest an ihre Brust gepresst. Irgendwann fingen ihre Arme an zu krampfen, weil sie sie so lange in der gleichen Stellung gehalten hatte, also legte sie das Baby zurück in sein Bettchen und deckte es mit einer zusätzlichen Decke zu. Die Zinkwanne stand direkt neben ihrem Bett. Hester legte sich wieder hin, drehte sich auf die Seite und sah das Baby an.
    So lag sie da, bis spät in die Nacht, und achtete auf Anzeichen darauf, dass sich sein Zustand verschlechterte. Sie versuchte, wach zu bleiben, nickte aber hin und wieder ein. Irgendwann nachts wachte sie auf und sah, dass ihr Mann zurückgekehrt war.
    »Dem Baby geht es nicht gut«, sagte sie.
    Er schnaubte.
Na und?
    Erneut warf sie einen Blick auf den Säugling. Zum ersten Mal hatte sie die Angst und den Zweifel ausgesprochen, die sich in ihr ausgebreitet hatten. »Ich glaub ... ich glaub nicht, dass es wieder gesund wird. Nicht von allein.«
    Das wird es wohl müssen,
sagte ihr Mann.
    »Können wir nicht...«
    Nein. Können wir nicht. Mach dich nicht lächerlich, du dummes Weibsstück.
    Sie nickte. Das hatte sie sich schon gedacht.
    Du wirst einfach hoffen müssen, dass es sich von selbst erholt.
    »In Ordnung.«
    Wenn es die Nacht übersteht, wird es durchkommen.
»Und was, wenn nicht?«
    Dann eben nicht. Schlaf jetzt. Du hast morgen viel zu tun, Baby hin oder her.
    Und schon war er wieder fort.
    Sie befolgte seinen Rat und versuchte, ein wenig zu schlafen, konnte aber nicht. Stattdessen lag sie da und wachte über das Baby. Irgendwann nahm sie es wieder aus dem Bettchen und kuschelte es an sich. Sie spürte, wie in ihrem Innern etwas passierte, wusste aber nicht, was es war. Es war ein ungewohntes Gefühl, als hätte jemand ein Loch in sie gerissen. Das Gefühl behagte ihr nicht, aber irgendwie hätte sie es auch nicht missen wollen. Jetzt nicht mehr.
    Also hielt sie das Baby fest in ihren Armen und wartete auf den Morgen.
     

28
     
    Caroline Eades konnte nicht schlafen.
    Ihr Mann hatte kein solches Problem. Er lag mit offenem Mund neben ihr auf dem Rücken und schnarchte wie ein zorniger Löwe.
    Sie wusste einfach nicht, wie sie sich hinlegen sollte. Jedes Mal, wenn sie endlich eine Position gefunden hatte, in der ihr Bauch sie nicht störte, fing das Baby an zu treten oder schlug einen Purzelbaum, und das Ganze ging wieder von vorn los.
    In Wirklichkeit allerdings trug nicht das Baby die Schuld an ihrer Schlaflosigkeit. Zumindest nicht allein. Graeme war erst nach neun Uhr heimgekommen. Er hatte seine Aktentasche abgestellt und verkündet, er würde jetzt unter die Dusche gehen. Abendessen wolle er nicht, er habe bereits auf dem Nachhauseweg gegessen. Darüber wenigstens konnte Caroline nicht böse sein, denn die Lammhaxe war mittlerweile verkohlt. Dann, nach der Dusche, hatte er wortlos eine Dose Bier geleert und war anschließend gleich ins Bett gegangen. Er hatte sie weder gefragt, wie es ihr ging, noch sich erkundigt, wie ihr Tag gewesen war. Nichts. Er hatte nicht einmal die Kinder begrüßt, die sich gerade bettfertig machten. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie geglaubt, dass er eine Affäre hatte.
    Graeme war ihre Jugendliebe gewesen. Eine Geschichte wie die von Romeo und Julia - wenigstens hatte sie das gedacht, bis sie das Stück im Englischunterricht durchgenommen hatten und sie lesen musste, dass es mit den beiden ein böses Ende nahm. Sie schwor sich, dass ihr und Graeme so etwas nie passieren würde. Sie würde dafür sorgen, dass ihre Beziehung funktionierte, sie würde höchstpersönlich für ein Happy End sorgen.
    Und das hatte sie auch. In den ersten Jahren hatte sie ihre eigenen Karrierepläne hintangestellt und ihm

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