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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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gerade diese Erinnerungen, die ihm am Herzen lagen.
    Sie hatten sich durch die Arbeit kennengelernt. Beim Gemma-Hardy-Fall. Von Anfang an hatte er sich zu ihr hingezogen gefühlt. Fenwick hatte sie an ihrem ersten Arbeitstag durchs Büro geführt. Phil hatte von seinem Schreibtisch aufgesehen und - weil er es kaum glauben konnte - zweimal hinschauen müssen. Sie war so wunderschön. In einem Raum voll schlecht angezogener, schwitzender, zynischer Männer erschien sie ihm wie ein Wesen von einem anderen Stern - einem Ort voller Licht und Feinsinn. Er hatte sie die ganze Zeit über angestarrt. Er konnte nicht anders.
    Er erinnerte sich noch lebhaft an ihr erstes Aufeinandertreffen beim Briefing, wusste sogar noch, was sie angehabt hatte. Ein schwarzes Samtkleid, das ihre schlanke Figur betonte und dessen Saum ihre Knie umspielte, dazu kniehohe schwarze Lederstiefel mit Absätzen, die sie größer aussehen ließen, als sie tatsächlich war. Dichte, schwarze Locken wurden an einer Seite von einer glitzernden Spange zurückgehalten, die zu ihrer Kette und ihren Ohrringen passte. Ausdrucksstarke haselnussbraune Augen. Volle, rote Lippen. Sein erster Gedanke:
Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die so vollkommen ist.
    Und sein zweiter:
Vergiss es - sie spielt in einer ganz anderen Liga.
    Aber sie hatte ihm bald das Gegenteil bewiesen.
    Man hatte sie zusammen an einen Schreibtisch gesetzt, denn ihr psychologisches Expertenwissen und seine Erfahrung als Detective ergänzten sich perfekt. Zunächst war es ihm schwergefallen, mit ihr zu reden. Wenn er sich bemühte, den Fall zu diskutieren, blickte er ihr nur flüchtig in die Augen - er wagte es nicht länger - und entdeckte dabei, dass sie ihn anlächelte.
    Mit wunderschönen großen Haselnussaugen. Es war irgendwie beunruhigend, und er hatte das Gefühl, sie wolle ihn aufziehen. Die gebildete Dozentin, die den armen tapsigen Polizisten auslachte. Er versuchte, sich davon nicht aus der Fassung bringen zu lassen und sich stattdessen ganz darauf zu konzentrieren, den Mann zu finden, der Gemma Hardy nachstellte.
    Aber sie hörte nicht auf zu lächeln. Und er tat sein Bestes, seine Aufmerksamkeit auf den Fall zu richten.
    Dann berührten sie sich zum ersten Mal. Es geschah rein zufällig, sie standen über einige Berichte und Fotos gebeugt, die vor ihnen auf dem Schreibtisch ausgebreitet waren. Als sie beide gleichzeitig auf etwas zeigen wollten, landete ihre Hand auf seiner. Es war, als ginge ein elektrischer Schlag durch seinen Körper. Mit einem Mal war er hellwach, lebendig wie nie zuvor. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich einem anderen Menschen aufrichtig verbunden. Erschrocken sah er sie an. Und dieser eine Moment, dieser eine Blick genügte ihm, um es zu erkennen: Sie empfand genauso. Jetzt verstand er auch ihr Lächeln. Sie machte sich nicht über ihn lustig. Sie verhöhnte ihn nicht. Da war echte Zuneigung. Und noch mehr.
    »Hören Sie«, hatte er gesagt, die Berichte ignoriert und ihr direkt in die Augen gesehen, während ihre Hand sich ganz langsam, fast widerwillig, wie es schien, von seiner gelöst hatte. »Ich hab mich gefragt - hätten Sie vielleicht Lust, mal was trinken gehen?«
    Gleich darauf war er krebsrot geworden. Was hatte er sich nur dabei gedacht, sie um ein Date zu bitten? Was um alles in der Welt war in ihn gefahren? Er gab sich alle Mühe, bei der Polizei sein Image als echter Kerl aufrechtzuerhalten - als jemand, der knallhart war und im Zweifelsfall nicht lange fackelte. Er hatte Todesdrohungen von Kriminellen abgetan, die andere Polizisten in Angst und Schrecken versetzt hätten. Aber im Umgang mit Frauen war er ziemlich hilflos.
    Er war drauf und dran, seine Worte zurückzunehmen, als sie sagte, ja, sie hätte Lust dazu.
    »Warum haben Sie ja gesagt?«, hatte er sie dann später gefragt, als sie gemeinsam im Olive Tree im Stadtzentrum von Colchester saßen. Es war ein gemütliches Restaurant mit entspannter Atmosphäre und gutem, wenn auch ziemlich teurem Essen. Es wurde überwiegend von Geschäftsleuten besucht, und er hatte es ausgewählt, weil er ziemlich sicher sein konnte, dass sie hier keinem Kollegen über den Weg laufen würden.
    Sie hatten kurz den Fall diskutiert, sich über gemeinsame Interessen ausgetauscht und über ihre jeweilige Wohngegend unterhalten. Dann hatte Phil beschlossen, den nächsten Schritt zu wagen.
    Als Antwort auf seine Frage kam wieder dieses Lächeln. Sie hob ihr Glas an die Lippen, deren Rot genau

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