Entrissen
sich doch noch zu lächeln. »Sie hat gerade erst einen Prozess wegen häuslicher Gewalt gewonnen. Ihre Mandantin war die Bewohnerin eines Frauenhauses. Ich bin mir sicher, dass Ihr Fall sie brennend interessieren wird.« Phil log, dass sich die Balken bogen, aber er wusste, welche Wirkung seine Worte haben würden.
Brotherton sagte nichts. Phil wusste, dass er ins Schwarze getroffen hatte. Brotherton würde reden.
»Sie haben Claire Fielding also angeboten, ihre Abtreibung selbst vorzunehmen. Mit ihren eigenen Händen, ist das richtig?«
»So war es gar nicht...«
Phil beugte sich vor. »Wie war es dann, Ryan? Sagen Sie es mir. Ich will es doch nur verstehen.«
»Sie ... ich hab ihr erst nicht geglaubt. Aber dann musste ich ihr glauben.«
»Und Sie sind wütend geworden.«
Er nickte.
»Sie wollten kein Kind haben. Das hätte Sie eingeengt, Sie Ihrer Freiheit beraubt, stimmt's?« Wieder nickte er.
»Zu viel Verantwortung. Also haben Sie ihr dieses überaus großzügige Angebot unterbreitet.« Brotherton schwieg. »Und wie hat Claire darauf reagiert?« Noch immer schwieg Brotherton.
»Nein? Dann helfe ich Ihnen mal ein wenig auf die Sprünge, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Sie hat Sie verlassen. Hat all ihren Mut zusammengenommen und Sie in die Wüste geschickt.«
»Nein, hat sie nicht. Ich hab sie rausgeschmissen.« Augen nach links, während er dies sagte.
»Das ist eine Lüge. Sie hat Sie verlassen. Und Sie konnten das nicht ertragen, stimmt's? Sie konnten nicht dulden, dass irgendeine Schlampe Ihnen einfach den Laufpass gibt. Noch dazu, wenn sie von Ihnen schwanger ist. Na? Wie sehr hat das Ihr Ego verletzt? Ihren Stolz?«
Brotherton zuckte mit den Schultern. »Genauso wie bei jedem anderen Mann auch.«
»Genauso wie bei jedem anderen Mann auch, aha. Was haben Sie als Nächstes gemacht?«
»Nix.«
»Lügner. Sie haben sie angerufen. Ihr Kurzmitteilungen geschrieben. Sie bedroht.« »Hab ich nicht...«
»Doch, das haben Sie, Ryan. Wir haben eine Liste mit Claires Telefonverbindungen.« Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber sie hatten sie so gut wie. Phil war sich ziemlich sicher, dass sie seine Vermutung bestätigen würden.
Brotherton senkte den Kopf. Phil hatte also tatsächlich recht gehabt. Allerdings blieb keine Zeit, sich darauf auszuruhen. Er hatte einen Vorteil, den musste er nutzen.
»Sie haben ihr nachgestellt.«
»Nein.« Augen nach links. Eine Lüge.
Phil verbarg sein Lächeln. Wieder ins Schwarze getroffen. »Doch, das haben Sie, Ryan. Und warum? Weil sie es gewagt hatte, Ihnen davonzulaufen. Damit Sie sie nicht länger misshandeln konnten. Ist es nicht so?«
Schweigen.
»Was haben Sie sich davon erhofft, als Sie sie bedroht haben? Dachten Sie, sie würde zu Ihnen zurückkommen?« Brotherton schwieg.
Phil musterte ihn kühl. Es lief alles glatt für ihn, er handelte und dachte rein instinktiv, brannte vor Energie, war dabei aber hochkonzentriert.
»Gefiel Ihnen das Gefühl von Macht, das es Ihnen gab? Ist es das? Haben Sie gedacht, Sie hätten ihr Angst eingejagt?« »Leck mich doch.«
»Das macht Ihnen nämlich Spaß, nicht wahr? Frauen Angst einzujagen?«
»Ich hab gesagt, leck mich!«
»Es macht Ihnen Spaß, sie zu quälen ...«
Brotherton sprang auf und ruderte wild mit den Armen. »Halt die Fresse, du Scheißbulle!«
Der Uniformierte, der an der Tür gewartet hatte, trat vor und war bereit, ihn zurückzuhalten, sollte er auf Phil losgehen. Phil war ebenfalls aufgestanden. Brotherton machte drohend einen Schritt auf ihn zu. Jeden Moment würde er sich auf ihn stürzen.
47
Er stand auf und öffnete die Augen. Gestattete es sich, noch einige Augenblicke in ihrem Anblick zu schwelgen. Lächelte.
Seine Beute war erlegt. Tot. Das Gebärzimmer war verwüstet. Aus Ordnung war Chaos geworden. Er konnte spüren, wie das Blut seines Opfers von seiner Kleidung aufgesogen wurde. Er liebte dieses Gefühl. Genoss es.
Es hatte angefangen, als er noch Kaninchen und Rehe im Wald gejagt hatte. Das Planen, die Vorbereitungen. Dann die Jagd, der Kitzel des Tötens. Und der Moment vollkommener Macht, wenn er auf einen Körper herabblickte, der vor kurzem noch lebendig gewesen war. Das Wissen, dass er die Macht über Leben und Tod besaß - und den Tod gewählt hatte. Er hatte sein Messer genommen und den Tieren den Bauch aufgeschlitzt. Hatte zugesehen, wie aus den warmen Eingeweiden Dampf in die kühle Luft aufgestiegen war. Das Blut, das hervorsprudelte, hatte er
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