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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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er, wie es sich anfühlen musste, auf der anderen Seite des Tischs zu sitzen. Schon jetzt kam er sich vor, als wäre er derjenige, der hier drin festgehalten wurde und drauf und dran war, sich in seinen Lügen zu verstricken. Er musterte Sophie. Sie erwiderte seinen Blick, um gleich darauf angeekelt wegzuschauen. Er konnte es ihr so recht nicht verübeln.
    Er sah auf die Uhr und seufzte. Sie schien dieselbe Uhrzeit anzuzeigen wie beim letzten Mal.
Es ist wie im Wartezimmer eines Arztes,
dachte er.
Während man auf ein Testergebnis wartet, das bestätigen soll, ob man an einer gefährlichen Krankheit leidet.
    Noch ein Seufzer. Er widerstand dem Drang, erneut auf die Uhr zu schauen.
    »Wahrscheinlich hat dein Freund inzwischen schon alles gestanden.«
    Sophie starrte ihn an. »Wohl kaum.« Ihre Stimme klang fest und sicher, aber er spürte die Unsicherheit hinter ihren Worten. »Er ist nicht der Typ dafür.«
    Clayton schüttelte den Kopf. »Jeder ist der Typ dafür.« Er schob seinen Ärmel hoch, kämpfte wieder gegen das Bedürfnis, auf die Uhr zu sehen. Ließ den Ärmel über sein Handgelenk zurückrutschen. »Er ist genauso wie alle anderen.«
    Sophie setzte sich auf, als wolle sie ihm widersprechen, entschied sich dann aber anders und ließ sich zurückfallen, als hätte sie resigniert.
    Clayton konnte es ihr nachfühlen. Noch nie hatte er sich so -
    Er hatte keine Gelegenheit, seinen Gedanken zu Ende zu bringen. Die Tür zum Vernehmungsraum öffnete sich, und Anni Hepburn trat ein. Sie trug eine Dokumentenmappe unter dem Arm und in ihren Augen lag ein triumphierendes Blitzen. Als sie ihn sah, zögerte sie kurz, überspielte ihre Unsicherheit dann aber, indem sie zum Tisch ging, einen Stuhl heranzog und sich neben Clayton setzte.
    Sie bedachte ihn mit einem spröden, unergründlichen Lächeln und wandte sich dann an Sophie. »Tut mir leid, dass Sie warten mussten«, sagte sie. »Ich bin DC Hepburn. Meinen Kollegen DS Thompson haben Sie ja bereits kennengelernt.«
    Während sie sprach, sah sie vielsagend zu Clayton hinüber. Für ihn gab es keinen Zweifel, was dieser Blick zu bedeuten hatte: Der Arzt war da und hatte die Testergebnisse mitgebracht.
    »Also dann.« Anni klappte die Mappe auf und las darin. Clayton wusste, dass diese Mappen, die die Detectives bei einer Vernehmung vor sich liegen hatten, oft gar keine Informationen über den Verdächtigen enthielten, sondern nur psychologisch beeinflussen sollten. Der Ausbilder hatte ihnen seinerzeit erklärt, dass ein zu Verhörender mit einem Obrigkeitsproblem nichts beängstigender fand als eine Autoritätsperson, die eine Akte über ihn hatte.
    Anni sah auf, scheinbar überrascht, dass Clayton immer noch da war. »Ich dachte übrigens, sie hätten dich von dem Fall abgezogen?«
    Clayton spürte, wie seine Wangen anfingen zu glühen. »Ja. Stimmt. Ich wollte bloß ...« Er schob den Stuhl zurück, dessen Beine über den Boden scharrten. Widerstrebend stand er auf und ging zur Tür. Bevor er den Raum verließ, warf er Sophie noch einen eindringlichen Blick zu. Sie jedoch sah gar nicht in seine Richtung, sondern starrte geradeaus.
    Sobald er draußen war, sah sich Clayton hastig um, dann ging er, so schnell er konnte, zu Ben Fenwicks Büro. Dort gab es einen Bildschirm, über den er die Vernehmung verfolgen konnte. Er rannte die Treppe hinauf, blieb vor dem Büro stehen und wartete, bis er wieder zu Atem gekommen war. Dann klopfte er. Keine Antwort. Er drückte die Klinke herunter. Nicht abgeschlossen. Er trat ein und schaltete den Monitor an.
    »Sophie Gale«, sagte Anni gerade, als er einschaltete.
    »Ja.« Sophies Stimme war trocken und brüchig.
    Anni sah von ihrer Mappe auf und Sophie direkt in die Augen. »Das ist nicht Ihr richtiger Name, stimmt's?«
    »Also ...« Sophies Blick wanderte zu dem Stuhl, auf dem Clayton bis eben gesessen hatte. Sie schien zu ahnen, welche Richtung das Verhör nehmen würde, und brauchte jetzt, da er nicht länger da war, dringend einen Verbündeten.
    »Das ist nicht Ihr richtiger Name«, wiederholte Anni. Diesmal war es keine Frage, sondern eine Feststellung.
    Sophie nickte.
    »Gail Johnson. Das ist der Name, unter dem Sie der Polizei zum ersten Mal aufgefallen waren. Damals haben Sie noch als Prostituierte gearbeitet.«
    »Ja.«
    Ein knappes Lächeln von Anni. »Gut.« Erneut sah sie auf ihre Mappe und tat so, als würde sie darin lesen. »Es wurde nie Anklage gegen Sie erhoben, richtig?«
    In Sophie zog sich etwas zusammen.

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