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Entscheide dich, sagt die Liebe

Entscheide dich, sagt die Liebe

Titel: Entscheide dich, sagt die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Goldberg
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Haus zurücklassen. Sollte der neue Besitzer entscheiden, ob er die Sachen behalten oder entrümpeln wollte.
    Als sie das Arbeitszimmer ihres Vaters betrat, fiel ihr Blick auf seinen Lieblingsstab. Den, mit dem er sein letztes Konzert dirigiert hatte. Ihr wurde wehmütig zumute, als sie mit dem Finger über den Taktstock strich. Vorsichtig wickelte sie ihn in eines der karierten Taschentücher, mit denen Paps immer seine Lesebrille geputzt hatte, und steckte ihn ein. Den Stab würde sie als Andenken behalten.
    Sie wollte schon weitergehen, da fiel ihr plötzlich die Münzsammlung ihres Vaters ein. Die gehörte auch zu den wertvollen Dingen, die versteigert werden sollten. Aber wo hatte Paps sie aufbewahrt?
    In seinem Arbeitszimmer war sie nicht. Also suchte Clara im Schlafzimmer. Als sie ans Bett trat, begann ihr Herz, schneller zu schlagen. Es war frisch überzogen und aufgebettet, als könnte ihr Vater jeden Moment hereinschneien. Sie sah auf die Uhr. Kurz vor zwei. Um diese Zeit hatte er sich immer hingelegt.
    »Kinder, Künstler und alte Männer brauchen ihren Mittagsschlaf!« Sie hörte regelrecht seine Stimme, die dunkle, herrische Stimme, die alle Orchestermusiker gefürchtet hatten. Nur ihr gegenüber hatte er einen zärtlichen Klang hineingelegt.
    Sie riss sich los und durchsuchte den Raum. Aber auch im Schlafzimmer konnte sie die Münzsammlung nicht finden. Weder im Nachtkästchen noch im, auf oder unter dem Kleiderschrank. Schließlich fiel ihr Blick auf das große Ölbild, das über der Kommode hing. Es zeigte ihren Vater als relativ jungen Mann. Mitte vierzig mochte er gewesen sein. Mit hoch erhobenem Kopf saß er am Klavier und starrte in die Ferne. In seinem Blick lagen Entschlossenheit, Tatkraft und Unnahbarkeit. Fast zwanzig Jahre vor ihrer Geburt musste das Bild gemalt worden sein, und ihr Vater kam ihr darauf völlig fremd vor. Vielleicht lag es daran, dass der Maler sich einen berühmten Dirigenten arrogant vorgestellt hatte? Clara mochte das Bild nicht, es war nicht der Paps, den sie kannte. Außerdem hing es ständig schief, solange sie sich erinnern konnte.
    Sie trat an das Gemälde heran und rückte es gerade. Plötzlich durchzuckte sie eine Idee. Was, wenn das Bild noch eine andere Funktion hatte, als die Wand zu schmücken? Vielleicht verbarg es etwas, und es hing schief, weil es oft abgenommen und wieder hingehängt worden war?
    Vorsichtig hob sie das Porträt herunter und stellte es zur Seite. »Wow!« Sie traute ihren Augen nicht.
    Ihr Vater hatte tatsächlich einen Safe einbauen lassen! Merkwürdig, dass er ihr nie etwas davon gesagt hatte. Sie musterte das elektronische Schloss, das Zahlen von eins bis neun aufwies. Sesam, öffne dich, dachte sie und hypnotisierte die Tasten. Nichts geschah. Natürlich nicht, sie brauchte die richtige Zahlenkombination. Zuerst versuchte sie es mit Paps’ Geburtsdatum, dann mit ihrem eigenen. Erfolglos.
    Welche Möglichkeiten gab es sonst noch? Das Geburtsdatum ihrer Mutter? Nein, er hatte sie gehasst. Außerdem kannte Clara es nicht. Die Daten von Ruth Wendling? Sie lachte bitter auf. Dann legte sie die Hände an ihre Schläfen und dachte nach. Was war ihrem Vater wirklich wichtig gewesen?
    Musik natürlich! Vor allem die Musik seines Lieblingskomponisten, ach was, seines Gottes! Clara musste nicht nachsehen, sie kannte das Geburtsdatum von Johannes Brahms auswendig. Mit zittrigen Fingern tippte sie 7-5-1833 ein und hielt die Luft an. Ein helles Piepsen ertönte, und die schwere Safetür sprang auf. Erfreut über diesen Volltreffer, steckte Clara ihre Hand in den Hohlraum. Sie ertastete eine dicke Mappe. Die Münzsammlung! Mit einem Tuch wischte sie den Staub von der Lederoberfläche und sah sich die Münzen an. Sie hatte keine Ahnung, ob sie wertvoll waren oder Tand, markierte sie aber mit einem Klebeetikett und legte sie beiseite.
    Um sich zu überzeugen, dass der Tresor nun leer war, tastete sie seine Wände ab. Ganz hinten stießen ihre Fingerspitzen auf etwas Hartes, Längliches. Eine Rolle aus Kunststoff, wie Architekten sie zum Aufbewahren von Bauplänen verwendeten. Ob es sich um einen Plan der Villa handelte? Sie hob den Deckel ab. Ein zusammengerolltes Stück Leinwand kam zum Vorschein. Vorsichtig zog sie es heraus, breitete es aus und betrachtete verwundert die idyllische Landschaft, die sich vor ihr ausdehnte. Verschiedene Grüntöne mit roten Tupfen darin, die vermutlich Mohnblumen darstellen sollten, ein Stück See samt Schilf und

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